Todesspiel
erschienen Artikel über die Nestor-Gruppe aus der ganzen Welt, aber bisher nichts aus Brasilien.
UPI aus Neu-Delhi titelte: »Dorfbewohner in Bangladesch jubeln über neues, von der Nestor-Gruppe gespendetes Trinkwasserversorgungssystem«.
Die London Times schrieb: »Nestor-Gruppe verschifft Hilfsgüter in den südlichen Sudan«. Auf einem Foto in dem Artikel war auf einer unbefestigten Landebahn genau so ein Flugzeug abgebildet wie das, in dem Rubens geflogen war. Zerlumpte Männer entluden mit Lebensmitteln gefüllte Jutesäcke. Im Hintergrund waren zerbombte Rundhütten zu sehen.
»Was ist das für ein verdammter Mist? Über sämtliche Länder wird berichtet, nur nicht über Brasilien«, knurrte Rubens.
»Ich wünschte, wir hätten die Namen der Tochtergesellschaften. Vielleicht sind die ja im Jahresbericht aufgeführt.«
»Lass uns was anderes versuchen. Evans hat für die DEA gearbeitet. Das ist eine staatliche Behörde. Sehen wir doch mal nach, ob die Nestor-Gruppe in öffentlichen Bekanntmachungen erscheint.«
Im Fernsehen war das Phantombild verschwunden, und auf Channel One wurde jetzt über das aus Pennsylvania heraufziehende Gewitter berichtet. Im Süden waren bereits Straßen überflutet. Stromleitungen waren abgerissen. Der Gouverneur von Pennsylvania hatte versucht, die Nationalgarde für Evakuierungen zu Hilfe zu rufen, aber die Nationalgarde war im Nahen Osten im Einsatz.
»Wenn man diesen Arschlöchern im Weißen Haus noch acht Jahre Zeit lässt, sind wir ein Dritte-Welt- Land«, bemerkte Tommy.
Dann sagte er: »Okay, fangen wir mit der DEA an. Alle staatlichen Behörden sind verpflichtet, die Namen der privaten Unternehmen bekannt zu geben, mit denen sie zusammenarbeiten. Die Namenslisten werden jedes Jahr veröffentlicht.«
Er überflog eine lange Liste von Firmennamen.
»Auftrag über Frachtzentrum für USAID/DEA geht an Nestor. Fracht? Wieso Fracht? Das kapier ich nicht. Vertrag für Neubau eines Verwaltungsgebäudes in Caracas an Nestor. In öffentlichen Bekanntmachungen finden sich häufig Informationen, über die die Presse nicht berichtet. Die sind keine Nachricht wert. Aber wir finanzieren diesen ganzen Scheiß mit unseren Steuern, Rubens.«
Zehn Minuten später sagte er: »Nichts über Brasilien! Okay, versuchen wir es bei anderen Behörden.«
Seine Finger flogen über die Tastatur.
Kurz darauf erklärte er: »Das ist eine Liste von Verträgen, die von unseren ehrlichen, hoch qualifizierten Politikern in Washington abgeschlossen wurden. Sieh dir das an: Bau einer Landebahn für die DEA, Militäreinsätze in Bolivien – an Nestor. Außenministerium und Nestor … Verdammt, Nestor hat Beziehungen zum Außenministerium, und wahrscheinlich kriegt er einen Extrabonus, wenn er Aufträge in Krisengebieten übernimmt. Hey! Hier ist was über Brasilien!«
Er zeigte mit dem Finger auf den Bildschirm.
Stirnrunzelnd las Tommy vor: »Errichtung von Radarsystemen und Flugplätzen als Teil eines umfassenden Hilfsprogramms für Brasilien in strategisch wichtigen Gebieten im Kampf gegen die Drogenkartelle. An Nestor-Gruppe und SatComBrasil. Schon wieder der Krieg gegen die Drogen, Rubens.«
»Du meinst also, es geht letztlich doch um Drogen?«
Tommy rieb sich die Hände und zwinkerte Rubens zu.
Aber Rubens musste an die betrunkene Frau des
Gouverneurs in der Residenz denken, die ihm an dem Abend, als alles angefangen hatte, erklärt hatte: »Es geht um viel mehr als Drogen.«
Er betrachtete den Bildschirm und sprach seine Gedanken laut aus: »Der Vertrag für die Radarsysteme wurde einen Monat nach Honor Evans’ Aufenthalt in Rio Branco vergeben. Das bedeutet, dass er nach Rio Branco geflogen ist, weil er diesen Vertrag haben wollte. Und wenn er den Gouverneur umgebracht hat, dann bedeutet das, dass der Gouverneur dagegen war. Aber der Gouverneur war ein Feind des Drogenhandels. Warum sollte er also etwas gegen ein Radarsystem haben?«
Rubens’ Kopfschmerzen waren wieder da. Nichts ergab einen Sinn. Er kramte in seinen Erinnerungen, sah die reichen, mächtigen Fremden, die an dem Tag, als der Gouverneur ermordet wurde, nach Rio Branco gekommen waren. Sie hatten alle unzufrieden gewirkt. Ein Deutscher war unter ihnen gewesen und ein Spanier. Die Europäer hatten Anzüge getragen und hatten nicht ausgesehen wie Drogenbarone, sondern wie New Yorker Geschäftsleute. Und was war mit dem brasilianischen General gewesen? Alle diese Männer hatten auf Honor Evans gewartet. Aber später
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