Todesspiel
ihn ungläubig an. Dann schien er zu begreifen, aber statt Erleichterung zeigte sich erneut Entsetzen in seine Augen. Auch diesen Blick kannte Rubens.
Jetzt hält er mich für einen Polizisten.
»Na also. Endlich haben Sie’s kapiert«, sagte er.
De’Arte brach in Tränen aus. »O Gott. Ich will einen Anwalt.«
Rubens trat näher an ihn heran, während seine Gedanken rasten. »Einen Anwalt?«, wiederholte er sanft und zog die Brauen zusammen. Der Mann war ein Feigling. Er hatte von Anfang an unter Druck gestanden. Rubens würde bei dem Mann keine zweite Chance bekommen. Er schubste ihn weiter zurück gegen die Regale.
»Einen Anwalt willst du also, du erbärmliches Stück Scheiße?«
Blitzschnell rammte Rubens ihm die Faust in den Magen. De’Arte krümmte sich vor Schmerz, stieß einen spitzen Schrei aus und sackte in die Knie. Als er aufblickte, war sein Gesicht schweißgebadet. Rubens holte aus, um noch einmal zuzuschlagen, doch der Mann riss die Arme hoch, um sich zu schützen, und schaute Rubens entgeistert an.
» Ein Anwalt? Das ist es, was du brauchst?« Er packte De’Arte am Kragen und stieß ihn auf den Boden. »Ich brech dir den Arm und dann …« »Ich wusste nichts davon!«, jammerte De’Arte. »Ich war bloß der Buchhalter!«
»Lügner!«
»Nein! Bitte! Die haben mir nicht gesagt , dass ich nicht ins Flugzeug steigen, sondern in Beiern bleiben und Papiere unterzeichnen sollte. Ich dachte, die wären beeindruckt, wenn ich Initiative zeigte und mitkam, um mir die Verhältnisse vor Ort anzusehen.«
»Und diesen Blödsinn soll ich dir abkaufen?«
»Mein Gott. Was sage ich bloß Michelle?«
Rubens, ganz Polizist, herrschte ihn an: »Die Wahrheit, Clayton.«
Beim Anblick der geballten Faust schrie De’Arte auf, als hätte er wieder einen Schlag abbekommen, und rappelte sich auf die Knie. Rubens’ Stimme donnerte wie der Hammer, der auf den Richtertisch knallt.
»Ich habe den Piloten aufgefordert, Sie nicht mitzunehmen«, stieß De’Arte hervor. »So wie Sie plötzlich aus dem Nichts auftauchten. Ich habe ihm gleich gesagt, dass irgendwas mit Ihnen nicht stimmt.«
Rubens zog den Mann, der am ganzen Körper nach Angstschweiß roch, auf die Füße.
Plötzlich wurde De’Arte gesprächig. »Zuerst habe ich kein Geld angenommen. Ich habe es abgelehnt. Ich habe denen gesagt, sie sollen tun, was sie wollen, aber mich aus dem Spiel lassen. Aber er hat gesagt, wenn ich kein Geld annähme, würden die denken, ich würde reden.« Sie müssen das Geld nehmen, sonst trauen die Ihnen nicht. »Sie hätten diese Stimme am Telefon hören sollen.« Nehmen Sie es, Clayton. Nehmen Sie es, sonst … »«
Schluchzend sank er in sich zusammen.
»Von wem kam der Anruf?«
»Es war nur eine Stimme. Ich weiß es nicht.«
Wütend fuhr Rubens ihn an: »Aber Sie haben das Geld angenommen. Vor dem Gesetz ist das dasselbe.«
»Was soll ich bloß meinen Kindern sagen?«
Rubens half dem Mann in einen Sessel und setzte eine freundlichere Miene auf. Er musste jetzt einen anderen Ton anschlagen. Wenn jemand gestand, musste man ihm Hoffnung machen. Die Hoffnung auf Freiheit. Oder auf Gnade. Oder auf Vergebung oder eine Belohnung.
De’Arte zitterte vor Angst. »Was Sie Ihren Kindern erzählen, ist Ihr geringstes Problem. Sie sind nicht der Einzige, dem wir einen Besuch abstatten. Erzählen Sie mir einfach, was Sie wissen. Vielleicht kann ich Ihnen helfen, wenn Sie uns helfen.«
Mit tränenüberströmtem Gesicht schaute De’Arte ihn an. In seinen Augen lag eine Mischung aus Angst und Zuversicht. »Ich möchte ja gerne reden, aber Sie wissen doch, was Honor Evans und seiner Familie zugestoßen ist! Und sie haben mir angedroht, dass mir dasselbe passieren würde.«
»Hat der Anrufer Evans erwähnt?«
»Nein, den Anruf habe ich schon vor Monaten erhalten. Aber der Mann hat mir haarklein beschrieben, was meiner Familie passieren würde, wenn ich rede. Als Evans ermordet wurde, wusste ich sofort, dass es sich um dieselben Leute handelte.«
»Sie haben Evans also gekannt?«
»Ich habe ihn nur dieses eine Mal in Brasilien getroffen. Er war nur ein paar Stunden dort. Er hat im Dschungel nach dem Rechten gesehen und ist in einem kleinen Flugzeug gleich wieder abgereist.«
Rubens musste dafür sorgen, dass De’Arte seine Fassung wiedergewann, denn er brauchte umfassende Antworten, und zwar sofort, bevor De’Arte begriff, dass Rubens kein Polizist war. Die Wanduhr tickte laut, während De’Arte vor sich hin schniefte.
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