Todesspiel
drückte. Gott sei Dank ertönte kein Hundegebell, nur eilige Schritte, die näher kamen, waren von drinnen zu hören.
»Ja bitte?«
Der Mann, der in der offenen Tür stand, war eindeutig der Typ aus dem Flugzeug. Clayton De’Arte hatte seine nassen Schuhe ausgezogen und trug jetzt eine frisch gebügelte Khakihose und ein Button-down-Hemd. Aus der Nähe wirkte er zwar jünger, aber die weiße Haarsträhne und die Sorgenfalten hatten den Mann frühzeitig gezeichnet. Er runzelte die Stirn, als hätte Rubens ihn bei irgendetwas unterbrochen. De’Arte hielt ein gebundenes Buch in der Hand. Rubens konnte den Titel erspähen: »Angst, eine verbreitete Krankheit.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, Clayton. Erinnern Sie sich noch an mich? Ich bin Rubens!«
Seine braunen Augen verengten sich.
»Wir sind zusammen gereist.«
Jetzt wirkte der Mann misstrauisch, aber auf ganz normale Weise, wie jemand, der sich sagt, dass er es sich hätte überlegen sollen, bevor er einem Fremden die Tür aufmacht. Er hatte Rubens’ Namen nie gehört. Und Rubens trug die Perücke. Aber wahrscheinlich hätte der Mann ihn nach zwei Jahren ohnehin nicht erkannt.
»Aus Brasilien«, erklärte Rubens lächelnd. »Wissen Sie noch? Der Flug?«
Clayton De’Arte schien zu erstarren. Er schaute über Rubens’ Schulter zur Straße, sah, dass dort kein Auto stand. Wie war Rubens also hierhergekommen?
»Das Flugzeug. Im Dschungel. Wir sind gemeinsam nach Beiern geflogen.«
Der Mann fasste sich mit einer schlaffen Hand an die Stirn, auf die Schweißperlen getreten waren. Seine Knie schienen unter ihm nachzugeben. Seine Augen waren weit aufgerissen.
»Ich kenne Sie nicht«, sagte er.
»Ich hatte ein Mädchen bei mir. Wir saßen hinten im Flugzeug.«
De’Artes Atem ging jetzt stoßweise. Während seiner Tätigkeit als Polizist hatte Rubens in Hunderte schuldiger Gesichter gesehen. Er schlug einen bestimmteren Tonfall an. »Wir müssen über diesen Flug reden«, sagte er.
De’Artes Nervosität schlug in blanke Angst um.
»Nein!«
Er versuchte, die Tür zuzuschlagen, aber Rubens hatte das kommen sehen und war schneller – und nach dem Widerstand zu urteilen, der ihm auf der anderen Seite der Tür entgegengesetzt wurde, auch stärker. Die Tür ging nach innen auf und schlug gegen die Wand. De’Arte rannte auf Socken ins Haus, den Flur hinunter über einen Läufer zu einer mit Teppichboden ausgelegten Treppe.
»Ich will Ihnen nichts tun«, rief Rubens und rannte hinter ihm her. Offenbar hielt De’Arte ihn für irgendeine Art von Gangster.
Er nahm weiße Wände wahr, leuchtend bunte Gemälde, Erkerfenster, teure Möbel.
»Ich will nur mit Ihnen reden.«
»Ich habe nichts verraten«, rief De’Arte.
De’Arte war schnell. Er sprintete die Treppe hinauf und nahm immer zwei Stufen gleichzeitig. Er hat da oben eine Waffe oder er will ans Telefon, um die Polizei anzurufen, ging es Rubens durch den Kopf. Auf dem oberen Treppenabsatz stolperte De’Arte, fing sich jedoch wieder, wandte sich nach links, und als Rubens oben anlangte, verschwand der Mann in einem Zimmer am Ende des Flurs. Die Tür wurde zugeschlagen, und De’Arte versuchte sie von innen zu verriegeln, aber Rubens warf sich dagegen.
De’Arte begann zu jammern, als Rubens die Tür aufstieß. »Ich habe nichts verraten! Ich schwöre es! Sie müssen mir glauben!«
De’Arte wich zurück, bis er mit dem Rücken an den bis zur Decke reichenden Bücherregalen in seinem Arbeitszimmer stand. An den Fenstern hingen weiße Gardinen, und mitten im Raum stand ein Kapitänstisch. Auf beiden Seiten eines Computers lagen Aktenstapel. An den getäfelten Wänden hingen gerahmte Familienfotos. Es roch nach Pfeifentabak.
»Ich habe weder meiner Familie noch irgendjemandem im Büro ein Wort gesagt!«
Verblüfft registrierte Rubens, dass er plötzlich mehr offene Fragen hatte statt weniger. Wenn De’Arte seine illegalen Aktivitäten vor seinen Kollegen geheim hielt, für wen arbeitete er dann?
Der Mann hob abwehrend die Hände, als Rubens näher kam. Nachdem sein Fluchtversuch vereitelt worden war, hatte ihn die Angst vollkommen erstarren lassen.
»Ich habe nichts verraten! Das würde ich nie tun! Niemals! Ich schwöre es!«
»Beruhigen Sie sich. Ich bin nicht hergekommen, um Ihnen etwas zuleide zu tun«, sagte Rubens.
Die Worte schienen zu De’Arte durchzudringen. Er betrachtete Rubens’ Gesicht, dann seine Hände, um sich zu vergewissern, dass er keine Waffe hatte. De’Arte sah
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