Todesstatte
sich in merkwürdigen Winkeln zum Schädel selbst, ihre Zähne hatten sich gelockert und lagen im Staub herum. Manche grinsten nicht einmal mehr, sondern sahen aus, als stieÃen sie mit weit geöffnetem Mund ein dämonisches Gelächter aus.
Unterhalb der Schädel waren Hunderte von Knochen in unordentlichen Haufen aufgetürmt. Inmitten eines Durcheinanders aus Schienbeinen, Wadenbeinen und Oberschenkelknochen erkannte Cooper die Form eines Beckens und einiger Rippen. Sie waren, ohne Rücksicht darauf, wem sie ursprünglich gehört hatten, aufeinandergeworfen worden. Es sei denn, der Knochenhaufen in seiner Nähe hatte einem Mann mit drei Beinen, aber ohne Becken gehört.
»Ziemlich beeindruckend, finden Sie nicht?«, sagte Casey. »Natürlich nicht jedermanns Sache.«
Er streckte die Hand aus, um über das Kranium eines groÃen Schädels zu streichen, der eine eigene Nische in der Nähe der untersten Treppenstufen belegte. Die Knochenplatten über seinen Augenhöhlen waren glatt und schimmerten perlmuttern im künstlichen Licht.
»Der hier bringt angeblich Glück, wenn man ihn streichelt«, sagte Casey. »Er wird der General genannt.«
Trotz der Beleuchtung lieà sich die Anzahl der Schädel unmöglich schätzen. Sie standen in zwei Reihen auf den langen Regalbrettern, und die Schatten in den Nischen machten es schwierig, bis in den hinteren Teil des Raumes zu sehen. Hundert? Zweihundert? Cooper wollte keine Schätzung abgeben.
»Woher stammen die alle?«, fragte Fry. »Sind das alles Vorfahren der Familie Saxton?«
»Um Himmels willen, nein«, erwiderte Casey. »Die Saxtons wurden selbst entweder unter dem Mittelschiff der Dorfkirche oder in einem ziemlich feudalen Familiengrab auf dem Kirchhof beigesetzt. Ich glaube, in der Kirche gibt es einige schöne Steinplastiken, wenn man sich für solche Dinge interessiert.«
Fry deutete auf die Reihen von Schädeln. »Und wer sind dann die ?«
»Der Ãberlieferung zufolge waren das königstreue Soldaten, die von parlamentarischen Milizen in einen Hinterhalt gelockt und getötet wurden, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten, um sich an der Belagerung von Wingfield Manor zu beteiligen.«
»Im Bürgerkrieg?«, fragte Cooper und beugte sich vor, um die Schädel genauer zu betrachten. »Dann stammen sie also aus dem siebzehnten Jahrhundert.«
»Das ist richtig.«
»Aber zu diesem Zeitpunkt war das Herrenhaus doch noch gar nicht erbaut worden, geschweige denn die Kapelle.«
»Die Ãberreste wurden nicht hier gefunden, sondern bei Waldarbeiten irgendwo auf dem Anwesen. Wie ich bereits gesagt habe, stand an dieser Stelle zuvor ein anderes Haus, und die Saxtons waren bekanntermaÃen Anhänger der Royalisten, also wurden die Soldaten vielleicht deshalb hier einquartiert. Das originale Gebäude war von den Parlamentariern natürlich schwer beschädigt worden und musste abgerissen werden. Ich nehme an, das war die Strafe dafür, dass sie die falsche Seite unterstützt hatten.«
Cooper hatte diese Geschichte noch nie gehört, es kursierten jedoch viele andere dieser Art in Derbyshire, wo der englische Bürgerkrieg die Einheimischen in zwei Lager gespalten hatte. Die Kirche in Chapel-en-le-Firth hatte unter dem Namen »das schwarze Loch von Derbyshire« Bekanntheit erlangt, nachdem sie der Inhaftierung von fünfzehnhundert schottischen Soldaten gedient hatte, die bei der Battle of Ribbleton Moor gefangen genommen worden waren. Die Armee der Parlamentarier hatte die Soldaten zwei Wochen lang in der Kirche eingepfercht, und beim Ãffnen der Türen waren vierundvierzig von ihnen tot aufgefunden worden.
»Wurden die Gebeine jemals authentifiziert? Ich meine, um zu bestätigen, dass sie tatsächlich aus der Zeit des Bürgerkriegs stammen?«
»Ich habe mir sagen lassen, dass das vor einigen Jahren geschehen ist«, sagte Casey. »Aber der Fund wurde nie öffentlich gemacht.«
»Dann müsste ja ein Gutachten darüber existieren, wie viele Schädel und Knochen sich in der Sammlung befinden.«
»Ja, selbstverständlich. Aber auch das...«
»Wurde nicht öffentlich gemacht. Ich verstehe.«
Cooper leuchtete mit einer Taschenlampe in die staubigen Ecken. GroÃe schwarze Spinnen flüchteten vor dem Licht. Ihre Netze spannten sich zwischen den Schädeln und hingen wie
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