Todesstatte
könnte?«
»Das ist nicht witzig, Gavin.«
Cooper öffnete seine Datei mit der Liste der vermissten Personen der vergangenen achtzehn Monate. Er hatte bereits diejenigen ausgeschlossen, die in der Zwischenzeit wieder aufgetaucht waren, entweder tot oder lebendig. Viele Namen waren nicht mehr übrig geblieben. Sieben, genauer gesagt.
Seine Lieblingskandidatin war eine Frau aus Middleton, die eines Tages nicht erschienen war, um ihre Tochter von der Schule abzuholen, und seitdem nie wieder gesehen worden war. Sie war mittlerweile seit zwei Jahren verschwunden und hatte keinen Kontakt mit ihren Angehörigen aufgenommen â das behaupteten diese zumindest. Dem Ehemann war damals ziemlich genau auf den Zahn gefühlt worden. Es gab keinerlei Hinweise, dass sie Depressionen oder andere Probleme gehabt hatte, die sie dazu bewogen haben könnten, das Weite zu suchen oder sich etwas anzutun. Der Haken an der Sache war der, dass sie zum Zeitpunkt von Audrey Steeles Bestattung bereits seit sechs Monaten vermisst wurde.Wo hätte sie in dieser Zeit sein können?
Die anderen Vermissten gehörten anderen Altersgruppen an als Audrey, und es handelte sich mit einer einzigen Ausnahme um Männer. Nicht, dass das einen Unterschied gemacht hätte. Der Verbrennungsofen differenzierte nicht zwischen den Geschlechtern, nur die Menge an Knochenasche, die aus dem Zerkleinerer kam, war unterschiedlich groÃ. Vielleicht hätte er sie eher unter dem Aspekt ihres Gewichts betrachten sollen, als sie nach Geschlecht und Alter einzuteilen, und sich eine Schätzung ihrer Knochenmasse besorgen sollen. Soweit er es beurteilen konnte, gab es keine anderen Hinweise.
Als Coopers Konzentration nachlieÃ, blickte er über den Tisch hinweg zu Murfin, der seine Ãberstunden ausrechnete. Er führte stets gewissenhaft Buch darüber, wie viele Tage und Stunden er zu viel gearbeitet hatte. Nicht, dass er jemals versucht hätte, sie abzufeiern â er genoss es einfach, sich darüber zu beklagen.
»Glaubst du eigentlich an Himmel und Hölle, Gavin?«, fragte Cooper.
Murfin blickte nicht auf. »Nimm dir ein Gummibärchen, Ben. Dann fühlst du dich besser.«
»Nein, im Ernst.«
»Meinst du damit etwa das, was Kindern in der Sonntagsschule beigebracht wird? Jede Menge Flammen und Teufel mit Röstgabeln? Ewige Verdammnis, weil man unanständige Gedanken hatte?«
»Na ja, was du dir eben unter der Hölle vorstellst, Gavin. Und was du dir unter dem Himmel vorstellst.«
Murfin kaute eine Zeit lang und wischte sich etwas weiÃen Staub aus der SüÃigkeitentüte von den Händen.
»An Erstere glaube ich«, sagte er. »Aber für Letzteren habe ich noch nie einen Beweis gesehen. Tut mir leid, Detective Constable Cooper, aber Ihre unbestätigten Behauptungen in Bezug auf die Existenz des Himmels würden vor keinem Gericht bestehen.«
»Eine Hölle, aber keinen Himmel? Dann denkst du also, die Gleichung geht nicht ganz auf? Wie ist es dazu gekommen, Gavin? Irgendein Konstruktionsfehler bei der Schöpfung?«
»Du solltest nicht so reden«, erwiderte Murfin und drohte mit einem von Zucker bedeckten Finger. »Damit verärgerst du Gott.«
Das Telefon klingelte, und Murfin hob ab.
»Detective Constable Murfin am Apparat. Oh, hallo. Ja, okay.« Er hielt den Hörer mit ausgestrecktem Arm. »Für dich, Ben.«
»Wer ist dran? Gott?«
»Nein, aber sie hält sich dafür.«
Cooper nahm das Telefon und schnitt eine Grimasse in Murfins Richtung. »Hallo, Diane.«
»Lass alles stehen und liegen, Ben«, sagte sie. »Wir brauchen das ganze Team hier unten für eine Besprechung mit Dr. Kane.«
»Die Psychologin?«
»Ja. Wir sehen uns im Besprechungszimmer. Ich erwarte dich und Gavin hier in zehn Minuten.«
17
U nd, habt ihr die Todesstätte gefunden? Oder habt ihr die Fährte verloren? Seltsam, wo der Geruch doch so markant ist. Manche behaupten, er sei süà wie der Geruch faulender Früchte.
Wusstet ihr, dass man gar nicht auf einen verwesten Leichnam treten muss, um seinen Geruch an den Schuhsohlen fortzutragen? Das Erdreich um eine Leiche ist mit all jenen ätherischen fetthaltigen Säuren getränkt, die sich bei der Verwesung eines Menschen bilden. Unser Weichgewebe verrottet letztendlich vollständig, an manchen Stellen jedoch schneller als an anderen. Die Gebärmutter
Weitere Kostenlose Bücher