Todessymphonie (German Edition)
die Perlen an ihren Zöpfen protestierend klickten. Sogar die kleinen Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken sahen zornig aus.
Trotzig , das war das beste Wort für sie. Sie weigerte sich, sich ihm zu beugen. Weigerte sich, einzugestehen, dass ihr Leben bald enden würde. Er sah es, es drängte sich durch die geweiteten Pupillen, eine beinahe krankhafte Hoffnung, dass er sie nicht umbringen würde.
Klick. Er blätterte weiter, kehrte aber schnell wieder zu einem früheren Bild zurück. Das einzige Geräusch war sein angestrengter Atem. Er beobachtete sich einen Moment selber. Er hechelte wie ein Hund. Widerlich. Schnell brachte er seinen Atem unter Kontrolle und wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu.
Da war wieder der Funke, genau da, im vierten Bild. Oh, die Kraft in diesen Augen. Der schmale Kiefer, die ausgehöhlten Wangenknochen, das herausstechende Schlüsselbein. Nur die Andeutung ihrer Brüste, eine ganz leichte Schwellung. Die Erinnerung an diese dunkelroten Nippel.
Klick.
Das nächste Foto war nicht so berauschend. Der Funke war in Resignation umgeschlagen. Er hatte den Augenblick perfekt eingefangen. Ihm war allerdings die rechtschaffene Empörung lieber gewesen, die er durch die Linse gesehen hatte, obwohl er zugeben musste, dass auch der Augenblick der Wahrheit etwas für sich hatte.
Klick. Klick.
Klick, klick. Klick, klick.
Er sollte wirklich auf Tommasos Anweisungen hören und seine Festplatte vernichten, alles löschen. Er konnte den Computer sowieso nicht mit auf die Reise nehmen, falls er irgendwie jemand anderem in die Hände fallen würde. Sein Finger schwebte über der Maus. Er konnte es nicht. Er konnte nicht seine ganze Welt zerstören. Er nahm einen leeren USB-Stick und kopierte alle Bilder darauf. Dann öffnete er ein Administrationsprogramm und entwarf ein Passwortschutzsystem, das alle Daten verschlüsseln würde. Niemand würde das Passwort je herausfinden. Während er das alles tat, sprach er laut vor sich hin, sprach mit der Puppe. Ach, sie war so süß. Nachdem er fertig war, machte er alle Geräte aus.
Trotz Tommasos Anweisungen hielt Gavin es für verrückt, etwaszu zerstören, was vielleicht gar nicht zerstört werden musste. Er würde ja zurückkommen.
Er löste sich von seinem Computer und schaltete die kleine Schreibtischlampe an. Die Vierzig-Watt-Glühbirne erhellte die Puppe und zog sie aus den Schatten hinaus.
Sie hatte sich nie wirklich ergeben.
Er hatte sie geliebt. Liebte sie immer noch.
Aber es war an der Zeit, sie loszuwerden. Er holte die Spritze heraus, die er für solche Notfälle besorgt hatte.
Er hatte jetzt Macht. Und eine Bestimmung.
Er würde sich mit seinem Bruder vereinen.
31. KAPITEL
Baldwin hörte Highsmythes Zusammenfassung der drei Mordfälle nur mit halbem Ohr zu. Anders als Baldwin schien der Brite nicht den kleinsten Kater zu haben. In Anbetracht der Tatsache, dass er Baldwin bei dem Wettrennen zum Boden der Flasche um Längen geschlagen hatte, war das sehr vielsagend.
Memphis war ein guter Redner. Die Gründlichkeit, mit der er die Fälle bearbeitet hatte, war unübersehbar. Die Londoner Morde hatten vor drei Monaten angefangen. Drei Prostituierte, drei Strangulierungen. Alle drei waren inszeniert worden, an allen drei Tatorten war eine Postkarte von einem Gemälde gefunden worden: die erste war Flaming June von Frederic Lord Leighton, die zweite Venus, Merkur und Amor von Correggio und die dritte The Tepidarium von Sir Lawrence Alma-Tadema. Alles waren Gemälde von sich zurücklehnenden Frauen. Das von Leighton war das einzige Bild, auf dem die Frau Kleidung trug, was sich auch an dem entsprechenden Tatort widerspiegelte – das Opfer war nicht nackt, sondern trug ein langes, fließendes Nachthemd.
Memphis hatte eine Diashow vorbereitet und ging jeden Fall im Detail durch. Er zeigte den jeweiligen Fundort, dann die Postkarte, dann beides übereinandergelegt, dann Seite an Seite. Die Ähnlichkeit der Opfer mit den Frauen auf den Gemälden war unverkennbar.
Alle drei Frauen waren erwürgt worden, alle drei waren klein und außergewöhnlich dünn. Es war nicht bestimmt worden, ob sie, wie die italienischen Opfer, lange hatten hungern müssen oder ob ihr Untergewicht einfach eine Berufskrankheit war. Alle drei Frauen waren nach ihrem Tod mehrfach sexuell missbraucht worden. Die DNA, die man auf Opfer Nummer drei gefunden hatte, war der Schlüssel zu der Verbindung zwischen Italien und London.
Il Macellaio entwickelte sich zu einem
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