Todestanz
da, den Mund voller Blut. Der Zahn, der seit ein paar Tagen gewackelt hatte, lag auf ihrer Zunge wie auf einem blutigen Bett.
Vier
Captain Riedwaan Faizal tastete mit den Augen das Gebäude ab. Nichts regte sich in den schattigen Aufgängen. Im obersten Stock schlug ein Gardinenzipfel gegen die Hohlblocksteine. Er rechnete die Wohnungsnummer aus. In dieser Gegend hatte kaum jemand einen Job. Der unbekannte Beobachter hinter dem schmuddligen Maschengewebe war bestimmt schon den ganzen Tag auf seinem Posten. Von dort war der Anruf nicht eingegangen.
Entlang der StraÃe verlief eine Betonmauer, die den Gehsteig von dem brach liegenden Sportplatz direkt neben dem Freeway trennte. Sie war frisch mit rundlichen, regenbogenbunten Zahlen besprüht: lauter 27er. Die Tags waren ein Zeichen dafür, dass die Gang von den Cape Flats ihre Tentakel ausstreckte und inzwischen auch die Coronation Street mit ihren NebenstraÃen für die Afghanen beanspruchte. Nur eine weitere Unternehmenskette, die ihre Marke bekannt zu machen versuchte. So hatte es Riedwaan Faizal von einem Soziologen in Jesuslatschen erklärt bekommen. Wie wenn McDonaldâs irgendwelche Happy Meals verteilt. Riedwaan schnaubte. Eher wie Hunde, die ihr Territorium markieren. Hunde mit neuen Herren, die darauf hofften, dass sie sich mit etwas Pisse und massivem Terror dieses Gebiet sichern konnten.
Die Mädchen waren über den Sportplatz gerannt, hatten die Ranzen fallen lassen und überall ihre Bücher verstreut. Die Schuhe und grauen Röcke schlammbeschmiert. Die Kniebundstrümpfe des kleineren Mädchens waren unter das Pflaster auf ihrem linken Schienbein gerutscht. Sie hatten genau gewusst, was kommen würde. Die Ãltere hatte die Arme um die Kleine geschlungen. Die Kugeln, die ihren Rücken
zerfetzt hatten, waren im mageren Leib der Jüngeren explodiert, knapp unter dem Wappen auf ihrer weinroten Schuljacke. Die Pubertät hatte sich schon schmetterlingsleicht auf dem Kinderleib niedergelassen â das Haar war dichter und glänzender und die jetzt entblöÃte Brustwarze gröÃer geworden.
Riedwaan hatte ihre kühle Wange gestreichelt und dabei die auf dem offenen Auge abgelegte Münze in seine Hand gleiten lassen. Kopf. Das Metall war noch warm.
Sergeant Rita Mkhize ging den Fluchtweg der Mädchen vom Gehsteig bis hierher ab. Das kurze Haar zu Dreadlocks geflochten, knapp über anderthalb Meter groÃ, fünfundvierzig Kilo: zu klein, um ein Maschinengewehr zu halten. Was vielleicht ganz gut war, denn sie flippte moer schnell aus, und sie schoss mit tödlicher Präzision. Seit ein paar Monaten war sie seine Partnerin. Sie behielt ihn im Auge, aber sie hielt ihm auch den Rücken frei. Allmählich gewöhnte er sich an sie.
Sie hielt eine blutbefleckte Algebra-Arbeit hoch. »Die Maitland-Mädchenschule.« Dann las sie die Namen auf den Schulranzen vor. »Schwestern. Neunte Klasse. Beziehungsweise die vierte bei der Kleinen.« Rita stand auf, zog den ReiÃverschluss ihrer Kapuzenjacke hoch und stampfte mit dem Fuà auf. »Höchstens zehn Jahre alt. Ein Baby.«
»Mein Baby wird am Dienstag sieben«, sagte Riedwaan.
»Haben Sie schon die Papiere für Kanada unterschrieben?«, fragte Rita.
»Van Rensburg hätte mir nie eine so persönliche Frage gestellt«, sagte Riedwaan.
»Er ist nicht mehr Ihr Partner.« Rita zuckte mit den Achseln. »Und, haben Sie?«
Die Ankunft des Lieferwagens mit dem Ballistiker bewahrte Riedwaan davor, antworten zu müssen. Shorty de Lange kam allein, so wie es ihm am liebsten war.
»Halten Sie mir die Leute vom Leib«, war De Langes BegrüÃung. Hinter der Polizeiabsperrung drängten sich bereits die Arbeiter auf dem Heimweg. Die Frau, die das Eckcafé führte, erzählte jedem in Hörweite, was sie gesehen hatte: nicht viel. Sie hatte die Schüsse gehört und dann kurz abgewartet. Sie hatte einen Wagen â er hatte sich teuer angehört â vorbeirasen und um die Ecke schlittern gehört. Dann war sie nach drauÃen gegangen, um nachzusehen. Nichts auf der StraÃe, nur die zwei Mädchen auf dem Sportplatz, tot. Riedwaan hatte alles in seinem kleinen schwarzen Buch notiert. In Fällen wie diesem konnte eine Aussage schnell vergessen sein.
»Ich markiere kurz mein Territorium, dann mache ich mich an die Arbeit. Sobald einer Ihrer Freunde hier die Grenze
Weitere Kostenlose Bücher