Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa
du doch aus Erfahrung«, fuhr sie fort, »dass eine Mordsache sich nicht innerhalb von drei Tagen erledigt. Mir wäre es lieber gewesen, wenn du mir schon gestern reinen Wein eingeschenkt hättest.«
LaBréa sagte nichts. Céline hatte recht. Gestern hatte er sie bewusst belogen. Und zwar einzig und allein, weil er zu feige gewesen war, das musste er sich eingestehen.
»Bist du noch dran, Maurice?« Célines Stimme klang plötzlich wie von weit her.
»Ja, ich bin noch dran«, erwiderte er.
»Schade, ich hatte mich so auf deinen Besuch gefreut«, sagte Céline leise, und er hörte den Vorwurf in ihrer Stimme.
»Tut mir leid, aber ich kann doch nichts dafür!« LaBréa erhob seine Stimme. Er spürte, wie er auf Angriff schaltete. »Als ob ich mir diese beiden Mordfälle ausgesucht hätte!«
»Darum geht es gar nicht. Natürlich kannst du nicht nach Barcelona fliegen, wenn du zwei Mordfälle aufzuklären hast. Aber du hättest mir gestern sagen sollen, dass du bereits einen Fall hast. Ich habe dich doch sogar noch gefragt, ob irgendetwas los ist. Das
hast du ausdrücklich verneint, obwohl das Gegenteil der Fall war. Du hast gekniffen, Maurice. Und ich frage mich, warum.«
»Was soll das heißen? Willst du mir irgendetwas unterstellen?«
Céline lachte kurz auf. »Was heißt hier ›unterstellen‹? Ich stelle lediglich fest. Wir klären das am besten, wenn ich zurück bin. Das wird Sonntagabend sein, ich habe ja mein Rückflugticket. Also, bis dann, Maurice. Mach’s gut, und viel Erfolg bei deinen Ermittlungen.«
Ehe LaBréa noch etwas sagen konnte, hatte Céline das Gespräch beendet.
Wütend schlug er mit der Hand aufs Lenkrad. Das hatte ihm gerade noch gefehlt - Ärger mit Céline! Die erste Krise zwischen ihnen.
Natürlich stimmte es, dass die beiden Mordfälle ihn davon abhielten, nach Barcelona zu fliegen. Natürlich konnte er nichts dafür, wenn zwei Männer ermordet wurden und die Ermittlungen in seinen Händen lagen.
Aber … jenseits all dessen gab es etwas, das er klar als Betrug an Céline erkannte. Es hatte nichts mit den beiden Mordfällen zu tun und der Tatsache, dass er ihr gestern nichts von dem Mord an Pascal Masson erzählt hatte. Es hatte einzig und allein mit Jocelyn Borel zu tun und der Tatsache, dass er diese Frau begehrte.
Bevor LaBréa losfuhr, rief er noch rasch seine Tochter an. Jenny befand sich im Speisesaal der Schule und aß zu Mittag.
»Na, was gibt es heute bei euch?«, wollte LaBréa wissen.
»Ach, den üblichen Fraß, Papa. Schweineschnitzel mit viel Fett und total geschmacklosem Kartoffelbrei. Aber man gewöhnt sich ja an alles. Heute Abend hole ich uns was Leckeres beim chinesischen Traiteur. Ravioli mit Krabbenfüllung. Wann kommst du denn?«
»Das weiß ich noch nicht. Es kann spät werden.«
»Wie immer«, maulte Jenny. »Morgen hat Alissa übrigens Geburtstag. Den will sie richtig feiern. Alissas Vater ist aus Afghanistan da und hat ein paar Tage Urlaub. Ich kann dann in der Brûlerie übernachten, hat Madame Dalzon gesagt. Bist du einverstanden?«
»Ja, natürlich. Hast du denn schon ein Geschenk für Alissa?«
»Nein, hab ich nicht. Ich wollte dich fragen, wenn du nach Hause kommst.«
»Wir reden spätestens morgen früh darüber, Chérie. Uns fällt bestimmt etwas ein.«
Er schaltete sein Handy ab und startete den Motor seines Wagens.
12. KAPITEL
Kurz vor vierzehn Uhr parkte LaBréa den Renault in der Tiefgarage des Justizpalastes. Sein Besuch in der Rue Jean Anouilh war umsonst gewesen. Christine Payan hatte das Haus verlassen. Wiederum hatte die Studentin Marielou Delors die Tür geöffnet und LaBréa mitgeteilt, dass die Psychologin den ganzen Tag unterwegs sei und sie nicht wisse, wann diese nach Hause käme. LaBréas Frage nach Christine Payans Handynummer beantwortete Marielou Delors nur mit einem Achselzucken. Angeblich kannte sie die Nummer nicht, was LaBréa ihr jedoch nicht abnahm. Er gab der Studentin seine Karte mit der Bitte, Christine Payan solle ihn möglichst bald zurückrufen.
Pünktlich um vierzehn Uhr begann die Talkrunde. Brigadier Valdez hatte in der Kantine für Mittagsverpflegung gesorgt. Auf dem Konferenztisch in LaBréas Büro standen eine Platte mit Sandwiches, eine Thermoskanne mit Kaffee und mehrere Flaschen Mineralwasser.
Franck hatte in Geschäften, Friseursalons und diversen Cafés gefragt, ob jemand den Toten aus der Rue Boulanger kannte. Allerdings ohne Ergebnis.
Daraufhin war er rasch noch einmal ins Gefängnis
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