Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa
La Santé gefahren und hatte den Wärtern am Empfangscounter das Polaroid des Unbekannten gezeigt. Und siehe da, einer der wachhabenden Beamten erkannte in ihm den Mann, der Pascal Masson regelmäßig im Gefängnis besucht hatte. Er war alle vier bis sechs Wochen gekommen, und zwar ab dem Zeitpunkt, als Masson seine Strafe antrat. Unter dem Namen Stéphane Blanc hatte er sich ins Besucherbuch eingetragen.
»Als er einen französischen Personalausweis vorlegte, wunderte sich der Beamte, denn Stéphane Blanc sprach mit sehr starkem Akzent. Die Nummer des Ausweises wurde routinemäßig notiert.« Franck blätterte in seinem Notizbuch. »Blancs Meldeadresse lautete: Rue de la Lanette Nummer vierzehn, im Zwölften Arrondissement. Ich habe natürlich gleich beim Zentralregister nachgeforscht. Unter dieser Adresse ist kein Stéphane Blanc gemeldet. Im Übrigen war der Personalausweis gefälscht.«
»Stéphane Blanc ist ein so verbreiteter französischer Name, dass es ihn allein in Paris dutzende Male geben dürfte«, meinte Jean-Marc. »Den hat er sich zur Tarnung zugelegt. Wahrscheinlich gerade weil der Mann kein Franzose war.«
Es klopfte an der Tür. Gilles, der Mitarbeiter der Spurensicherung, betrat LaBréas Büro. Er hatte erste Resultate hinsichtlich der Fingerabdrücke aus der alten Spinnerei.
»In dieser Fabriketage haben wir eine Menge Abdrücke nachweisen können. Sie stammen von mindestens zehn Personen. Sehr viele Abdrücke können dem Toten zugeordnet werden.«
»Damit bestätigt sich die Vermutung, dass das Opfer tatsächlich dort gewohnt hat«, warf LaBréa ein.
»Ja. Die Blutspuren im Waschraum, auf dem Handtuch, auf dem Flur, unten im Hof und auf Matratze und Bettlaken sind von ein- und derselben Person, und zwar vom Opfer. Vermutlich hat der Mörder sich die blutverschmierten Hände gewaschen, die er vielleicht mit Gummihandschuhen geschützt hatte, oder das Tatwerkzeug abgespült. Messer, Skalpell, Rasierklinge, was auch immer es gewesen sein mag.«
»Haben Sie die Fingerabdrücke ins System eingegeben?«
»Ja natürlich. Der Tote ist sauber. Es liegen keine Vorstrafen vor. Genauso wenig wie ein Haftbefehl. Auch bei den anderen Fingerabdrücken gab es keinen Treffer.«
»Irgendwelche Faserspuren?«, fragte Jean-Marc.
»Ja. Auf dem blutverschmierten Handtuch im Waschraum. Es sind dieselben Spuren wie bei Pascal Masson: Fasern eines blauen Drillichstoffes.«
»Was ist mit der Musikkassette mit dem Ausschnitt aus dem Boléro ?«, fuhr LaBréa fort.
»Keine Fingerabdrücke. Wie bei der anderen Kassette. Aber wir versuchen jetzt herauszufinden, um welche Aufnahmen es sich bei der Kassettenüberspielung
handelt. Vielleicht bringt uns das weiter. Es wäre doch interessant zu wissen, von welchem Orchester diese Aufnahmen stammen, wann und wo sie entstanden sind.«
»Kann man denn so etwas feststellen?« LaBréa war erstaunt.
»Selbstverständlich. In den Musikarchiven der großen Platten- beziehungsweise CD-Konzerne sind sämtliche Aufnahmen vorhanden, die je von Ravels Boléro auf Schallplatte oder CD in den Handel kamen. Da kann man exakte Vergleichsanalysen machen. Keine Aufnahme ist wie die andere. Das Ganze wird allerdings eine ganze Weile dauern.«
»Gut, danke, Gilles.« Der Techniker nickte kurz in die Runde und verließ den Raum.
Claudine war es in der Zwischenzeit gelungen, die Einheit des österreichischen Fremdenlegionärs Klaus Hofstetter in Kourou, Französisch-Guayana, zu kontaktieren. Doch mit Hofstätter selbst hatte Claudine nicht sprechen können. Sein vorgesetzter Offizier gab an, Hofstetter befände sich zusammen mit einigen Kameraden für einige Tage in einem Dschungelcamp zum Survivaltraining und könne nicht kontaktiert werden. Erst Ende der Woche würde er in die Kaserne nach Kourou zurückkehren.
»Das ist Pech«, stellte LaBréa fest. »Wir müssen uns also ein paar Tage gedulden.«
»Ich habe diesen Offizier natürlich auch gefragt, ob er wüsste, wo Hofstetter sich beim Camerone am
30. April 1991 aufgehalten hat. Der Mann musste passen. Er dient seit 1997 in der Legion und hat Hofstetter erst im letzten Jahr in Kourou kennengelernt.«
»Was ist mit dem anderen, diesem Franzosen?«
»Cyril Bouclon? Auch hier haben wir leider Pech, Chef. Bouclon ging nach dem Ende seiner Dienstzeit bei der Legion 1995 nach Auriac, wo er als Tischler arbeitete. 1998 kam er bei einem Autounfall ums Leben. Er war verheiratet und hatte eine Tochter.«
»Haben Sie mit seiner Frau
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