Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa
gesprochen, Claudine?«
»Ja. Sie ist ihrem Mann 1996 zum ersten Mal begegnet und kennt keine Einzelheiten aus seiner Zeit als Legionär. Den Namen Masson hat sie nie gehört, und mit dem Begriff ›Camerone‹ weiß sie nichts anzufangen.«
»Also auch hier eine Sackgasse. Nehmen Sie sich bitte die anderen Personen vor, die auf dem Foto abgebildet sind, Claudine.«
»Das mache ich gleich heute Nachmittag, Chef. Es bleiben noch Frans Kerkhove, der Belgier, Jimmy Bakerfield aus Kanada, und natürlich der Österreicher, wenn er aus dem Dschungelcamp zurück ist.«
LaBréa nickte. Er war unzufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. Die Ermittlungsarbeit trat auf der Stelle. Zeugen wie Cyril Bouclon oder der Österreicher waren entweder tot oder nicht zu erreichen. Das unbekannte Opfer aus der Rue du Château d’Eau hatte zwar plötzlich eine Identität bekommen, die
sich jedoch sogleich als falsch herausgestellt und in eine erneute Sackgasse geführt hatte. Es schien wie verhext. Zwei brutale Morde an zwei Männern, die sich seit Langem gekannt hatten, und alle Spuren verliefen im Sand. Kein Motiv, keine Tatwaffe, aber ein- und derselbe Mörder.
»Was haben Sie hinsichtlich eines Sprachwissenschaftlers und der Taxizentralen erreicht?«, fragte LaBréa den Paradiesvogel.
»Der Leiter des Instituts für Slawistik der Universität, Professor Mitrow, war sehr kooperativ. Er hat angeboten, sich mit uns zu treffen, wenn wir das wünschen. Die slawischen Sprachen werden in drei Gruppen aufgeteilt: westslawische, ostslawische und südslawische Sprachen. Einige Sprachen sind bereits ausgestorben.«
»Wie viele sind es insgesamt, die heute noch gesprochen werden?«
»Etwa zwanzig. Russisch, Ukrainisch, Sorbisch, Polnisch, Tschechisch, Serbisch, Bulgarisch und so weiter. Der Professor meinte, viele slawische Sprachen klängen für den, der sie nicht selbst spräche und nur einige Wortfetzen aufschnappe, ähnlich und würden meist fälschlicherweise als Russisch identifiziert. Hinzu kommt: Wenn die Menschen dieser verschiedenen Volksgruppen Französisch sprechen, ist ihr Akzent sehr ähnlich. Er ist hart, mit rollendem ›R‹ und wird in Frankreich meist sogleich als osteuropäischer Akzent erkannt.«
»Verstehe.« LaBréa fuhr mit der Hand über sein unrasiertes Kinn. »Es kommen also zwanzig verschiedene Sprachen in Betracht, in denen sich Masson und sein unbekannter Kumpel unterhalten haben könnten. Wirklich weiter bringt uns das nicht. Von daher sehe ich auch keinen Grund, sich mit diesem Slawistikprofessor zu treffen.«
Er nahm ein Schinkensandwich und goss aus der Thermoskanne Kaffee in eine Tasse. Das Sandwich war ausnahmsweise einmal knusprig und frisch, und LaBréa biss mit großem Appetit hinein.
»Und die Taxizentralen?«, fuhr er mit vollem Mund fort.
»Ich habe bei drei großen Unternehmen angerufen, bisher Fehlanzeige. Aber einige Fahrer fahren nur Nachtschicht und können erst heute Abend befragt werden. Vielleicht haben wir da mehr Glück. Kollegin Lecarpe von der Abteilung zwei ist mit an der Sache dran.«
»Gut.« LaBréa nahm einen Schluck Kaffee. Sein Handy klingelte. Es meldete sich der Wirt des Bistros Renaissance , Monsieur Fuentes.
»Commissaire, ich habe was ganz Interessantes erfahren, das könnte vielleicht wichtig für Sie sein. Heute Mittag hat ein Mann bei uns gegessen. Und wie das so ist, habe ich den Gästen gegenüber ganz beiläufig den Mord an dem Russen oder Polen aus der Rue du Château d’Eau erwähnt. Das hat dieser Gast gehört, und ich erfuhr, dass der Mann Sozialarbeiter
hier im Viertel ist. Er sagte, bis letztes Jahr hätten in der alten Spinnerei rund ein Dutzend Hausbesetzer gelebt. Illegale aus Afrika und dem Irak.«
»Wie heißt der Mann?«
»Abdul Abudan. Wohnt Rue Taylor Nummer sieben, gleich bei mir um die Ecke.« Er gab LaBréa auch die Telefonnummer.
»Haben Sie irgendwelche Einzelheiten erzählt? Erwähnt, dass Sie ein Foto des Toten gesehen haben?«
»Natürlich nicht, Commissaire!« Die Stimme des Wirts klang entrüstet. »Ich respektiere die Ermittlungsarbeit der Polizei. Von daher konnte ich mir denken, dass Sie diesen Mann selbst befragen wollen. Deshalb rufe ich Sie ja auch an.«
»Das war sehr klug von Ihnen, Monsieur Fuentes. Danke für Ihren Anruf.« LaBréa schaltete das Handy ab und unterrichtete seine Mitarbeiter von dem Gespräch.
»Soll ich den Mann mal anrufen?«, fragte Jean-Marc.
»Nein. Franck und ich fahren da gleich hin. Wenn wir ihn
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