Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa
nein«, sagte LaBréa und bemerkte, wie Franck den Kopf zu ihm drehte. »Du kannst dich darauf verlassen.«
»Wie sieht es heute Abend bei dir aus?« Jocelyns Stimme klang verführerischer denn je. »Hättest du Lust, zu mir zum Essen zu kommen? Heute ist mein schulfreier Tag, und ich habe Entenbrust besorgt.«
»Klingt gut, aber ich kann nichts versprechen. Ich rufe dich am frühen Abend an.«
Er stellte sein Handy ab und blickte regungslos durch die Windschutzscheibe. Franck bog gerade auf den Boulevard St. Martin ein, auf dem sich der Nachmittagsverkehr staute und das Schneechaos die Situation zusätzlich verschärfte.
Da war es wieder, dieses Gefühl der Begierde. Die unbändige Lust auf eine Frau, die es darauf anlegte, einen Mann zu becircen, und die genau wusste, wie man das anstellt. Ein Abend mit seiner Jugendliebe Jocelyn … Kerzenschein, ein gutes Essen, ein exquisiter Wein. Für einen Moment alles vergessen. Keine kastrierten Legionäre und Russen, kein Herumwühlen in Ermittlungsergebnissen, die mehr als dürftig waren.
Die Vorstellung war verlockend.
Sogleich sah er jedoch auch die Hindernisse, die sich auftürmten. Céline, die er auf schäbige Weise betrügen würde. Jenny, die er anlügen müsste. Während er bei einem schönen Essen mit Jocelyn flirtete, würde sie zu Hause warten in der Annahme, dass er bis über die Ohren in Arbeit steckte.
Unmöglich. Er würde Jocelyn absagen und ihr ein für alle Mal klarmachen, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte.
Vor ihnen gab es einen Auffahrunfall. Franck bremste scharf, der Wagen brach aus und hielt nur wenige Zentimeter hinter dem Unfallwagen.
»Verdammter Mist!«, fluchte Franck. »Wieso fahren die so dicht auf?« Er ließ das Fenster herunter und setzte das Blaulicht aufs Dach des Renault. Mit eingeschalteter Sirene manövrierte er den Wagen geschickt um die Unfallstelle herum und bog an der nächsten Ampel links in den Boulevard de Strasbourg ein.
Erneut klingelte LaBréas Handy. Claudine hatte den belgischen Fremdenlegionär namens Frans Kerkhove ausfindig gemacht. Er lebte in Lüttich und betrieb dort eine kleine Computerfirma.
»Und?«, fragte LaBréa gespannt.
»Leider habe ich ihn noch nicht persönlich gesprochen. Seine Frau sagte mir, er sei unterwegs und käme jeden Moment zurück. Sein Handy sei ihm heute Morgen gestohlen worden, und von daher wäre er nicht erreichbar. Ich denke, dass ich nachher mehr sagen kann.«
»Gut, das hoffe ich.«
»Übrigens, Chef, da wir nun wissen, dass das Opfer in der alten Spinnerei offenbar ein Ausländer slawischer Abstammung war, werde ich mal sehen, ob ein internationaler Haftbefehl gegen jemanden vorliegt, der in den osteuropäischen Staaten gesucht wird. Bisher haben wir nur in der nationalen Datenbank nachgeschaut.«
»Gute Idee, Claudine«, bemerkte LaBréa. »Leider haben wir nur einen falschen Namen von dem Mann. Aber dafür Fotos und seine Fingerabdrücke. Vielleicht haben wir Glück.«
Als das Gespräch beendet war, wählte LaBréa die Handynummer des Paradiesvogels.
»Gerade wollte ich Sie anrufen«, sagte Jean-Marc. »Wo sind Sie jetzt, Chef?«
»Auf dem Weg ins Büro.«
»Gut. Ich habe eine Taxifahrerin gefunden, die die beiden Legionäre in der Nacht, als Masson ermordet wurde, durch Paris gefahren hat. Ich bringe die Frau mit zum Quai des Orfèvres, dann können Sie selbst mit ihr reden.«
»Eine Taxifahrer in ?«, meinte Frank, als LaBréa die Neuigkeit an ihn weitergab. »Als Frau würde ich mich hüten, in dieser Stadt Taxi zu fahren, insbesondere nachts. Und dann mit Typen im Auto, von denen einer offenbar schon frühzeitig stockbetrunken war.«
Zehn Minuten später erreichten sie den Quai des Orfèvres. Jean-Marc und die Taxifahrerin waren noch nicht eingetroffen. Im Büro sagte LaBréas Sekretärin, dass der Direktor ihn dringend zu sprechen wünschte.
LaBréa stöhnte genervt.
»Hat er gesagt, worum es geht?«
»Nein.« Die Sekretärin schüttelte den Kopf. Dann lächelte sie breit, und LaBréa sah ihren scharf hervortretenden
oberen Schneidezahn. »Aber man kann es sich wohl denken, Chef.«
»Na schön, dann will ich es gleich hinter mich bringen.« LaBréa blickte auf die Uhr. Es war kurz nach fünf.
Direktor Roland Thibon, dessen avantgardistisch eingerichtetes Büro sich im Obergeschoss des Gebäudes befand, ließ LaBréa im Vorzimmer warten. Seine Sekretärin, eine hübsche Blondine, die aussah wie eine Parfümerieverkäuferin, saß am Computer und
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