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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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bitte, wir würden sie gern sprechen.«
    Matthieu Payan nickte mürrisch und schlenderte Richtung Küche.
    »Mama, Besuch für dich!«, rief er und öffnete kurz die Küchentür. »Die beiden Bullen, die gestern schon hier waren«, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu.
    LaBréa und Claudine waren an der Eingangstür stehen geblieben. Als Christine Payan in den Flur kam und einen Moment verunsichert wirkte, sagte LaBréa nicht ohne Ironie: »Schon wieder aus Orléans zurück, Madame? Da scheint es Ihrer Mutter ja schlagartig besser zu gehen!«
    Die Psychologin überhörte die Bemerkung und konterte mit einer Gegenfrage. »Gehört es jetzt zu Ihrer täglichen Routine, mir einen Besuch abzustatten?«, meinte sie ein wenig von oben herab. Mit einer knappen Geste bat sie die beiden in ihr Arbeitszimmer. Sie schloss die Tür. »Also, worum geht es, Commissaire?«
    LaBréa öffnete den Reißverschluss seiner Jacke und nahm auf einem der Sessel Platz. Claudine tat es ihm gleich, während Christine Payan mit verschränkten Armen in der Nähe der Tür stehen blieb.

    »Wir würden gern wissen, in welchem osteuropäischen Land Sie sich Anfang der Neunzigerjahre aufgehalten haben. Genauer gesagt: zwischen Winter 1992 und Sommer 1993.«
    Mit langsamen Schritten ging die Psychologin zu ihrem Schreibtisch und lehnte sich an die Kante. »Wieso interessiert Sie das eigentlich?«
    LaBréa beschloss, sich nicht auf irgendwelche Spielchen einzulassen. Christine Payan wollte Zeit gewinnen, das war offensichtlich. Er hatte jedoch keine Zeit zu verlieren.
    »Gut, Sie wollen es uns nicht sagen, Madame. Dann sage ich es Ihnen: Sie hielten sich zu diesem Zeitpunkt in Bosnien auf. Und zwar in einem Therapiezentrum für traumatisierte Frauen und Mädchen in Zagreb. Sie gingen als Traumaexpertin unter der Schirmherrschaft einer Menschenrechtsorganisation dort hin.«
    Christine Payan löste sich von der Schreibtischkante, ging ein paar Schritte und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz.
    »Ja und?«, erwiderte sie. »Ich wüsste nicht, was daran falsch oder suspekt sein sollte, Commissaire.«
    »Ist es auch nicht.« LaBréa blickte die Psychologin durchdringend an. »Interessant ist für uns allerdings, dass in diesem Therapiezentrum auch einige Frauen und Mädchen behandelt wurden, die von serbischen Soldaten in der Stadt Foča festgehalten und vergewaltigt worden sind. Und wissen Sie, wer maßgeblich
an diesen Kriegsverbrechen in Foča beteiligt war? Die beiden Männer, die gestern beziehungsweise vorgestern hier in Paris kastriert aufgefunden wurden.«
    Die Psychologin sagte nichts. Sie drückte ihre Fingerkuppen aneinander und senkte den Blick.
    »Das sind alles merkwürdige Zufälle, finden Sie nicht?«, sagte Claudine. »Die Spur der Sprayerfrauen, die in letzter Zeit einige Vergewaltiger symbolisch kastriert haben, führt zu Ihnen. Die beiden Männer, die tatsächlich kastriert wurden, haben massenhaft Vergewaltigungen in Foča begangen. Und Frauen und Mädchen aus Foča waren später bei Ihnen in posttraumatischer Behandlung.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Erregt beugte sich die Psychologin vor. »Dass ich etwas mit diesen Morden zu tun habe? Nur weil ich mit schwer traumatisierten Frauen gearbeitet habe, die zufällig aus derselben Stadt kamen, in der Ihre Mörder ihr Unwesen trieben?«
    »Nein«, erwiderte LaBréa. »Niemand beschuldigt Sie persönlich. Aber wir vermuten, dass diese Mädchen und Frauen die Namen ihrer Peiniger genannt haben. Haben Sie damals von einem Stefan Vlankovic gehört? Oder von einem großen Mann mit sehr hellblonden Haaren?«
    »Ich habe viele Namen gehört«, erklärte die Psychologin erregt. »Zu viele. In Bosnien sind damals etwa dreißigtausend bosnische und kroatische Frauen vergewaltigt worden. Viele waren infolge der Gewalttaten
schwanger. Wir, die Ärztinnen und Psychologinnen der Hilfsorganisation, hatten alle Hände voll zu tun, diesen Frauen medizinische und therapeutische Hilfe zukommen zu lassen. Und da fragen Sie mich, ob ich irgendwelche Namen behalten habe? Ich habe nur behalten, unter welchen Umständen die Frauen misshandelt wurden und welche Folgen das gehabt hat.«
    Mit einer abrupten Bewegung schob sie ihren Stuhl zurück. Sie schien äußerst erregt, was nicht zu dem Bild der souveränen und unterkühlt wirkenden Frau passte, das sie bisher vermittelt hatte. LaBréa fragte sich, wieso sie auf einmal so emotional reagierte.
    »Ich zeige Ihnen mal etwas«, fuhr Christine Payan fort.

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