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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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»Damit Sie sich ein Bild davon machen können, was damals geschehen ist. Denn trotz diverser Prozesse vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag macht sich anscheinend niemand eine Vorstellung davon, welche Konsequenzen diese Verbrechen für die Betroffenen hatten und noch immer haben.« Sie ging zu einem der Metallcontainer, die an der Wand standen, und holte eine Videokassette heraus.
    »Was ist das?«, wollte Claudine wissen.
    »Sehen Sie es sich einfach an«, erwiderte die Psychologin. Sie stellte den Fernsehapparat ein und legte das Video in den Rekorder. »Das ist der Mitschnitt einer Veranstaltung, die 1994 in Paris stattfand und bei der die Öffentlichkeit hier bei uns zum ersten Mal umfassend über die Vergewaltigungen in Bosnien informiert wurde.« Sie drückte auf den Abspielknopf.

    Die Aufnahmen waren von einer Handkamera gemacht worden, die zunächst unruhig hin- und herschwenkte, bis sie ruhigere Bilder lieferte. Man sah eine Art Hörsaal mit vielen Menschen. An der Stirnseite gab es ein Podium, auf dem einige Frauen an einem länglichen Tisch saßen, den Zuschauern zugewandt. Rechts auf dem Podium eine Leinwand als Projektionsfläche. Dort stand Christine Payan. Sie war wesentlich jünger und trug eine andere Frisur, doch LaBréa erkannte sie sofort. Jetzt erlosch das Licht im Saal, und ein Foto wurde auf die Leinwand projiziert. Die Kamera zoomte heran.
    Das Foto zeigte ein Mädchen, dessen Haar zu einem dicken Pferdeschwanz zusammengebunden war. Mit ihren großen weißen Zähnen lachte die Kleine in die Kamera. Während das Bild noch näher herangezoomt wurde, hörte man Christine Payans Stimme.
    »Auf diesem Foto war Amila zehn Jahre alt. Zwei Jahre später, im Alter von zwölf Jahren, wurde sie vergewaltigt.«
    Jetzt wurde ein Videofilm auf der Leinwand abgespielt. Amila drehte der Kamera den Rücken zu, doch man erkannte sie an ihrem Pferdeschwanz. Regungslos saß sie da. Zu beiden Seiten ihres mageren Körpers, der in einem Krankenhauskittel steckte, hingen die Arme sperrig herab, als gehörten sie nicht zu ihr. Immer noch war Christine Payans Stimme zu hören:
    »Sie kamen zu dritt ins Haus ihrer Eltern, in einem Dorf bei Bihać. Den Vater und den neunzehnjährigen
Bruder führten die Soldaten ab. Kurz darauf wurden sie, zusammen mit anderen Männern, auf dem Dorfplatz erschossen.«
    Schnitt. Die Kamera zeigte das Mädchen von vorn. Jetzt trug sie ein Kleid. Ihr Gesicht wirkte leer und ausdruckslos, und doch hatte sich die Angst darauf eingeprägt wie ein unsichtbares Feuermal. Sie blickte starr und völlig verstört an der Kamera vorbei.
    »Die drei Soldaten zerrten Amila in die Wohnstube«, fuhr die Psychologin fort. »Als die Mutter sich dagegen zur Wehr setzte, wurde sie geschlagen, in den Unterleib getreten und in die Küche geschleift. Einer der Soldaten ging als Wachposten mit.
    Aus der Wohnstube hörte die Mutter die Schreie ihrer Tochter. Dann herrschte Totenstille. Plötzlich ging die Tür auf, und einer der Soldaten zerrte die Mutter an den Haaren in die Wohnstube. Dort lag Amila blutüberströmt auf dem Boden. Der Soldat, der die Mutter bewacht hatte, kam ebenfalls in den Raum, und alle drei vergewaltigten nun Amilas Mutter. Danach wollte der Soldat, der die Mutter bewacht hatte, noch über das Mädchen herfallen. Als er sah, dass sie bewusstlos war, ließ er fluchend von ihr ab. Bevor die drei Männer gingen, verwüsteten sie sämtliche Räume und plünderten das Haus.
    Am Nachmittag desselben Tages wurden Amila und ihre Mutter ein weiteres Mal vergewaltigt. Diesmal war es ein einzelner Soldat.

    Am nächsten Tag konnte der Frontabschnitt von muslimischen Truppen zurückerobert werden. Amila und ihre Mutter kamen ein Dreivierteljahr später zu uns nach Zagreb.«
    Erneut wurde das Foto von Amila eingeblendet, auf dem sie unbeschwert lachte. Dann ging das Licht im Saal an, und das Foto verschwand.
    Die Kamera schwenkte zu Christine Payan und zeigte sie in Großaufnahme.
    »Als Folge der traumatischen Ereignisse hat Amila die Sprache verloren und ist in eine totale Katatonie verfallen. Das heißt, sie reagiert auf keinerlei Kontaktaufnahme von außen. Ob die schweren seelischen und körperlichen Schäden, die das Mädchen davongetragen hat, jemals reparabel sind, muss bezweifelt werden. Ihre Mutter war durch die Vergewaltigungen schwanger geworden, doch sie konnte rechtzeitig abtreiben.
    Von den drei Tätern der Gruppenvergewaltigung kannte Amila zwei. Es waren die beiden Söhne

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