Todesträume am Montparnasse
meiner Kollegin: Wo waren Sie in den beiden fraglichen Nächten?«
Abrupt drehte sich die Psychologin um und ihre Stimme wurde lauter.
»Nachdem ich Montagabend bis einundzwanzig Uhr eine Patientin hatte und Dienstagabend, wie Sie wissen, mein Seminar in der Uni halte, habe ich anschließend an beiden Abenden meine Wohnung nicht mehr verlassen.« Es klang erbost. »Dafür gibt es zwei Zeugen, Commissaire. Meinen Sohn und Marielou Delors, die Studentin, die im Moment bei mir wohnt.«
LaBréa erhob sich.
»Wir werden das nachprüfen. Ist Mademoiselle Delors im Moment hier in der Wohnung?«
»Ja, ich glaube schon. Sie verlässt die Wohnung nur selten, weil sie Angst vor Menschen hat und schon gar nicht die Uni betreten kann.«
Zehn Minuten später verließen LaBréa und Claudine die Wohnung der Psychologin. Matthieu Payan hatte die Aussage seiner Mutter bestätigt, ebenso Marielou Delors. Allerdings hatte die Studentin sehr unsicher gewirkt, als sie nach Christine Payans Alibi gefragt wurde.
Sie gingen zum Parkplatz.
»Madame Payan wird ab sofort beschattet«, erklärte LaBréa. »Diese Frau weiß etwas. Ich will über jeden ihrer Schritte informiert sein. Sie fangen gleich mit der Überwachung an, Claudine. Heften Sie sich an ihre Fersen, wenn sie das Haus verlässt. Ich nehme ein Taxi zurück ins Büro und sage Franck Bescheid. Er soll Ihre Ablösung organisieren.«
»Was ist mit der Überwachung ihres Telefons?«
»Ich rede gleich mit Couperin. Einfach wird das nicht. Sie kennen Couperins Einstellung in dieser Frage. Er will handfeste Beweise, und die haben wir nicht. Aber vielleicht schaffe ich es, ihn zu überzeugen.«
18. KAPITEL
Während der Taxifahrt zum Quai des Orfèvres führte LaBréa diverse Telefonate. Das erste mit seiner Tochter Jenny, die beim Essen in der Schulkantine saß.
Wie meistens beklagte sie sich über den »Fraß«, wie sie die Verpflegung in der Schule bezeichnete. LaBréa ging nur flüchtig darauf ein. Er wünschte ihr noch einen schönen Nachmittag und vor allem viel Glück bei der Mathematikarbeit, die gleich nach der Mittagspause geschrieben werden würde.
Anschließend rief LaBréa den Ermittlungsrichter an. Der war gerade zum Essen in sein Stammlokal unterwegs. Seine Sekretärin meinte, gegen halb drei sei er zurück.
Unmittelbar danach meldete sich Jocelyn. Er sah ihre Nummer auf dem Display und überlegte einen Moment, ob er das Gespräch annehmen sollte. Er entschied sich, es zu tun.
»Hallo, Maurice«, flötete sie mit sanfter Stimme. »Ich hoffe, ich störe dich nicht?«
»Na ja, wie man’s nimmt«, antwortete er. »Ich stecke bis zum Hals in Arbeit.«
»Gerade habe ich deine entzückende Tochter gesehen.
Sie ging zum Mittagessen. Sie ist dir wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Hör zu, Jocelyn, jetzt ist wirklich kein guter Zeitpunkt. Ich rufe dich in den nächsten Tagen an.«
»Ich wollte nur wissen, wie dir der Abend bekommen ist.«
Was sollte er darauf antworten? Dass er das Zusammensein mit Jocelyn zwar sehr genossen hatte, dadurch aber auch in Schwierigkeiten geraten war? Dass er bereute, sich darauf eingelassen zu haben? Bereute er es wirklich? In jedem Fall war es das Beste, die Affäre mit Jocelyn zu beenden. Hier und jetzt, damit die Dinge zwischen ihnen klar waren … Doch stattdessen sagte er: »Er ist mir gut bekommen, Jocelyn. Aber, wie gesagt, ich muss jetzt Schluss machen. Ich lass von mir hören.«
Er beendete das Gespräch. Er wusste, er hatte sich um eine klare Antwort gedrückt und sich eine kleine Hintertür offen gelassen. Egal. Er schob den Gedanken an Jocelyn beiseite. Das Taxi hielt vor dem Haupteingang des Präsidiums. LaBréa zahlte, stieg aus und ging mit raschen Schritten ins Gebäude.
Telefonisch bestellte er in der Kantine ein paar Sandwiches, bevor er die Talkrunde einberief. Seit dem Morgen hatte er noch nichts gegessen und vermutete, dass es Franck und Jean-Marc nicht besser ergangen war.
Als die Sandwiches gebracht wurden, verschlang er sogleich eines mit Schinken. Franck und der Paradiesvogel
hatten vor einer Viertelstunde ein Fastfoodgericht in der Kantine zu sich genommen und waren satt. Mit vollem Mund berichtete LaBréa vom Gespräch mit Christine Payan.
»Kümmern Sie sich darum, dass Claudine am Nachmittag abgelöst wird, Franck. Wir machen eine Rund-um-die-Uhr-Beschattung. Binden Sie auch die Kollegen der Abteilung zwei mit ein.«
Während Jean-Marc mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal Kontakt
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