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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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Gesicht nicht angeekelt verzog, als er seine erfundenen Scheußlichkeiten aufzählte.
    „Was ist denn da so interessant, dass du dich nicht vom Computer trennen kannst?“, wollte er wissen.
    Seine neugierigen Blicke wanderten unwillkürlich zum Bildschirm.
    „Ich chatte gerade mit Jo.“
    Seine Stirn legte sich in tiefe Falten, als würde er mir nicht so recht glauben, doch dann zog er davon.
    Ich beendete meinen Chat mit Linus und saß dann eine Weile einfach da und versuchte zu vergessen. Versuchte die Erinnerung daran zu verdrängen, dass zwischen Papa und mir nicht alles zum Besten stand. Und ich wusste nicht, was ich dagegen tun sollte.

KAPITEL 36
    Linus rief am nächsten Morgen um zehn an.
    „Darf ich mit euch zum Friedhof fahren?“
    „Fährst du denn nicht mit deinen Eltern?“
    Stille rauschte durch den Hörer an mein Ohr. Ich dachte an das, was er über seine Eltern gesagt hatte, dass sie nicht glücklich seien, und wartete auf eine Antwort, erhielt aber keine.
    „Wann genau fahrt ihr?“, fragte er stattdessen.
    „Warte, ich sag’s dir gleich.“
    Mit dem Handy in der Hand ging ich in die Küche. Mama frühstückte gerade. Papa war nirgends zu sehen.
    „Guten Morgen, Schätzchen. Was für ein grauer Morgen. Es regnet ja immer noch.“
    Ich unterbrach sie.
    „Um wie viel Uhr fahren wir zum Friedhof?“
    „Um drei.“
    „Darf Linus mitkommen?“
    „Äh … wir sind ja anschließend bei Oma und Opa zum Essen eingeladen. Aber … klar. Wir können ihn in Tullinge aussteigen lassen, von dort kann er einen Bus nach Hause nehmen. Das heißt, wenn er nicht zu Oma mitkommen will, natürlich.“
    Bei dieser unmöglichen Vorstellung musste ich grinsen.
    „Hast du das gehört?“, sagte ich in den Hörer.
    „Ja. Ich komme gern hinterher zu deiner Oma mit.“
    Ich war total verblüfft. Man muss schon ziemlich verzweifelt sein, wenn man sogar lieber zur Oma einer Freundin mitfährt, als daheimzubleiben!
    „Komm um drei zu uns rüber“, sagte ich.
    Ich blieb in der Küche stehen.
    „Will er zu Oma mitkommen?“, fragte Mama.
    „Ja.“
    „Dann muss ich anrufen und Oma vorwarnen.“
    „Und sag, dass er bloß mein Kumpel ist, nichts von Freund oder so!“
    „Okidoki“, sagte Mama schmunzelnd.
    Als ich mit meinem eigenen Frühstück beschäftigt war, kam Papa im Jogginganzug die Treppe herunter.
    „Bist du nicht bald fertig?“
    Er tänzelte und federte wie ein Boxer um mich herum und machte ein paar Scheinausfälle in meine Richtung.
    „Los, Nisse, auf geht’s!“
    „Hör auf“, sagte ich und stand auf.
    Papa hüpfte unverdrossen weiter und boxte in die Luft.
    „Wir haben einen Gast, der zum Friedhof mitkommt“, teilte Mama mit.
    „Ach so?“
    „Linus, der Junge von gegenüber.“
    Papa hörte mit dem Gehüpfe auf.
    „Der Ruhestörer, der hier immerzu rein und raus rennt“, fügte ich hinzu.
    „Was?“, fragte Mama.
    „Hör mal“, stöhnte Papa. „So hab ich das aber nicht ausgedrückt!“
    „Ich zieh mich schon mal um“, sagte ich.
    „Was sollte das denn wieder sein?“, hörte ich Mama fragen, als ich auf der Treppe nach oben unterwegs war. „Immer diese Sticheleien!“
    Papas Antwort hörte ich nicht.
    Papa und ich mussten unsere Joggingrunde im Nieselregen drehen, aber als wir ein paar Stunden später vor dem Friedhof aus dem Auto stiegen, hatte der Regen aufgehört. Es war allerdings bedeckt und ungemütlich kalt. Die Kälte kroch durch die Kleider, obwohl es ein paar Grad über null war.
    Auf den Gräbern standen Reihen von Lichtern. Einige waren erloschen, aber die meisten brannten mit flackernder Flamme.
    Schön sah das aus, aber auch wehmütig.
    Das Grab von Linus’ Großeltern lag in der Nähe des Parkplatzes, darum gingen wir zuerst dorthin.
    „Waren deine Großeltern krank?“, fragte ich, als Linus die Grabkerze angezündet hatte.
    „Großmutter hatte Krebs und Großvater bekam kurz nach ihrem Tod einen Infarkt.“
    „Genau wie bei meinen Eltern“, sagte Papa und sah Linus plötzlich mit freundlicheren Augen an.
    Wir gingen weiter zum Grab meiner Großeltern, wo wir zwei Grablichter anzündeten, bevor wir zum Auto zurückkehrten.
    Oma und Opa wohnen nur zehn Autominuten von uns entfernt in einem alten roten Holzhaus. Die Fenster und Türen des Hauses sind mit weißen Holzverzierungen versehen, der Balkon ebenfalls. Es liegt in einem großen Garten voller alter knorriger Obstbäume.
    Das ist Mamas Elternhaus.
    Als ich klein war, hab ich Oma und Opa oft besucht, vor

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