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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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allem im Sommer. Jetzt kommt es eher selten vor.
    Mein schlechtes Gewissen erwachte zum Leben, als ich in Omas parfümduftender Umarmung versank.
    „Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen!“
    An und für sich waren sie erst vor einem Monat bei uns zum Essen gewesen, aber wahrscheinlich würde Oma uns am liebsten jeden Tag sehen.
    Mama reichte ihr einen Blumenstrauß.
    „Und so schöne Blumen“, zwitscherte Oma.
    Opa stand hinter ihr und wartete, bis er mit Umarmen an der Reihe war.
    „Blumen sind zwar schön, aber am wichtigsten sind doch die inneren Werte“, sagte er.
    „Was ist das denn wieder für ein Geschwafel?“, sagte Oma.
    Linus und ich mussten beide gleichzeitig lachen.
    Opa zwinkerte uns mit einem Auge zu.
    „Schön, euch hier zu haben“, sagte er. „Und das hier ist also …?“
    „Linus“, sagte Linus.
    Er streckte die Hand aus und begrüßte zuerst Oma und dann Opa.
    „Aha, soso“, murmelte Oma zufrieden, während sie ihn von oben bis unten inspizierte.
    Sie trug ein elegantes Kleid und dazu die goldene Halskette, die sie zum sechzigsten Geburtstag bekommen hatte. Und sie hatte sich geschminkt und weiche Locken im kurzen blonden Haar.
    „Ein Kumpel“, sagte ich schnell, bevor sie anfing, irgendwas Unpassendes über einen Freund oder so zu faseln.
    „Verstehe, verstehe“, sagte Oma mit dieser vielsagenden Stimme. „Willkommen, Linus! Ich hätte nie geglaubt, dass Janne einen Jungen über eure Schwelle lassen würde!“
    Mama und ich stöhnten gleichzeitig. Ich traute mich nicht, irgendeinen anzuschauen, weder Papa noch Linus.
    Oma schien gar nicht zu merken, wie peinlich sie war.
    „Wie geht es deinem bedauernswerten Hund?“, fuhr sie mit einer Stimme voller Mitleid fort.
    „Glöckchen ist immer noch geschwächt“, sagte Linus, „aber es geht ihr von Tag zu Tag besser.“
    Über Omas Parfümwolke erschnupperte ich, dass es nach Essen duftete, und nach Zimt. Bestimmt irgendein Frikassee. Und danach Apfelkuchen.
    „Und diese entsetzliche Sache mit dem Mord an deiner Freundin, Afrodite“, fuhr Oma fort. „Du gehst doch wohl hoffentlich nicht alleine aus dem Haus?“
    „Wir versuchen normal zu leben“, sagte Mama. „Trotzdem.“
    „Schließlich wissen wir ja alle, wie das Leben endet“, sagte Opa fröhlich. „Mit dem Tod .“
    „Das ist doch was anderes“, murmelte Oma entrüstet. „Hier geht es doch um ein junges Mädchen!“
    „Der Tod sammelt sich seine Leutchen ein, wie es ihm gerade passt“, sagte Opa. „Und kommt immer überraschend. Darum lebe ich, als wäre jeder Tag mein letzter.“
    „Er liegt auf dem Sofa und löst Kreuzworträtsel“, teilte Oma mit. „Als ob man damit bei Petrus groß angeben könnte!“
    „Und du kochst Marmelade und Saft, dass es für sämtliche Engel des Himmels reichen würde“, konterte Opa. „Aber wie willst du eigentlich die vielen Flaschen und Gläser mit nach oben transportieren?“
    Zuerst fand ich es peinlich, als sie in ihr übliches Geplänkel verfielen, aber dann sah ich erleichtert, dass Linus kichern musste.
    Wir standen im Eingangsflur herum und laberten darüber, dass die Nächte allmählich kalt und die Tage kürzer wurden. Wahrscheinlich stünden wir immer noch da, wenn Wuff uns nicht die Schau gestohlen hätte. Sie schlüpfte in die Küche, wo Oma immer eine Schüssel mit Wasser neben den Herd stellt. Eine Weile war lautes Schlabbern zu hören, dann plötzlich lautes Klappern.
    Eine einfache logische Überlegung – Mama, Papa, Linus, Oma, Opa und ich im Flur – führte zu der Einsicht, dass es nur Wuff sein konnte, die in der Küche rumorte. Und ein unbeaufsichtigter gefräßiger Hund und duftende Kochtöpfe ergeben meistens keine besonders gelungene Kombination.
    „Wuff!“, rief ich.
    „Wuff!“, stöhnte Mama.
    Papa, Oma und Opa riefen als Echo:
    „Wuff! Wuff! Wuff!“
    Und wieder sah ich Linus kichern und bereute, dass ich ihn mitgenommen hatte.
    „Dem Essen ist nichts passiert!“, teilte Oma bald aus der Küche mit. „Kommt, setzt euch an den Tisch, bevor alles kalt wird.“
    Wir saßen im Esszimmer unter dem Kristalllüster, aßen und redeten und aßen noch mehr. Linus und Opa waren sich sofort sympathisch. Und Oma entging das natürlich nicht.
    „Endlich hat Afrodite einen netten Jungen gefunden!“, flüsterte Oma so laut zu Mama, dass alle es hörten.
    Linus auch.
    Ihre Bemerkung blieb in der darauf folgenden Stille hängen.
    Zu Omas Entschuldigung muss ich sagen, dass sie eine

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