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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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wenigstens“, fügte ich hinzu.
    „Meine sind es nicht. Sie sehen sich ja nie, mein Vater ist so selten zu Hause.“
    „Streiten sie sich?“
    „Nein, aber lachen tun sie auch nicht.“
    „Meine auch nicht, wenigstens nicht so, wie meine Mutter mit ihren Freundinnen lacht.“
    Wir schwiegen eine Zeit lang. Wir saßen ein Stück voneinander entfernt auf dem Bett und doch so nah.
    „Wie gut kann man andere Menschen wohl kennen?“, fragte ich.
    „Meinst du Familie oder Freunde?“
    „Familie.“
    „Ziemlich gut.“
    „So gut, dass man merken würde, wenn sie was Schlimmes angestellt haben?“
    Er überlegte kurz.
    „Ahnen würde man es wahrscheinlich schon. Vor Fremden kann man sich verstellen, aber nicht vor seinen engsten Angehörigen.“
    Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, bevor ich die Frage auszusprechen wagte:
    „Würdest du deinen Vater immer noch lieben, selbst wenn er etwas ganz, ganz Schreckliches getan hätte?“
    Er fuhr zusammen.
    „Was meinst du damit?“, fragte er scharf, als hätte ich eine Anklage formuliert.
    „Das, was ich gesagt hab. Würdest du ihn immer noch lieben, wenn er etwas Schlimmes getan hätte?“
    Er überlegte noch einmal.
    „Kommt wohl darauf an, was es wäre“, sagte er nach einer Weile. „Zum Beispiel würde ich ihm nie verzeihen, wenn er meine Mutter schlagen würde.“
    „Aber er ist dann ja immer noch dein Vater.“
    „Väter können auch Böses tun. Wie würdest du dich verhalten, ich meine, wenn dein Vater etwas Schlimmes getan hätte?“
    Das war es ja gerade, woran ich nicht zu denken wagte.
    „Ich würde wahrscheinlich vieles verzeihen, aber nicht alles.“
    Plötzlich rückte er näher zu mir her.
    Ich befand mich in seinen Armen. Alles andere verschwand.
    Linus und ich.
    Ich und Linus.
    So nah.

KAPITEL 34
    Mein Zimmer war erfüllt von Musik und duftete immer noch nach Linus, obwohl er schon gegangen war. Auch an meinem Haar haftete sein Duft noch, seit seine Finger mich berührt hatten. Ich würde nie mehr lüften oder mich waschen.
    Ich schwebte immer noch auf Wolken sieben, als ich auf der Jagd nach einem abendlichen Imbiss die Treppe hinunterging.
    Das Glück währte, bis ich Papa in der Küche begegnete. Er stand an der Kaffeemaschine und löffelte Kaffee in den Filter.
    Als ich plötzlich auftauchte, fuhr er zusammen. Die Musik drang mit gedämpftem Klopfen aus meinem Zimmer. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, ich wäre oben.
    Ohne ein Wort schaltete er die Maschine ein, holte eine Tasse aus dem Schrank und zog seinen Stuhl am Küchentisch heraus. Die Stuhlbeine glitten auf leisen Pfoten über den Laminatboden.
    Er griff sich eine alte Zeitung, die auf dem Tisch herumlag, und betrachtete sie missvergnügt.
    Ich sah ihm an, dass irgendetwas an ihm nagte.
    „Was ist denn?“
    Wir starrten uns an, Auge in Auge. Beide hatten wir die Stirn in Falten gelegt, was wir beide als Unzufriedenheit deuteten.
    „Ich hätte gern Ruhe im Haus“, brummte er.
    „Was soll das heißen, Ruhe ?“
    Er stöhnte.
    „Will der morgen auch herkommen? Dieser …“
    Papa verzog das Gesicht, als spräche er über irgendwas Schleimiges, Ekliges.
    „Und wenn??“
    Wut stieg in mir hoch. Was hatte er gegen Linus?
    „Ich find’s nicht so toll, wenn eine Menge Leute hier rein und raus rennen.“
    Was meinte er eigentlich? Auf einmal ging mir ein Licht auf. Ich sehe es ihm immer an, wenn er etwas getrunken hat. Er brauchte nichts zu sagen, sich nicht zu bewegen. Seine Augen, sein Gesichtsausdruck verrieten es.
    „Eine Menge Leute?“
    „Ich hab’s gern ruhig.“
    „Hier ist es still wie im Grab.“
    „Was weiß ich.“
    „Wie wär’s, wenn du dich öfter zu Hause sehen lassen würdest!“
    „Ich muss schließlich arbeiten. Ist doch klar, dass ich nicht gern andauernd auf Achse bin.“
    „Du bist aber auch nicht gern hier.“
    „Selbstverständlich bin ich das!“
    „Aber was fehlt dir dann eigentlich?“
    „Ihr fehlt mir.“
    „Du hast ja gar keine Zeit für uns!“
    „Sei nicht albern! Ich geh doch immer mit dir zum Schwimmen und zum Joggen!“
    „Wann warst du zuletzt mit mir im Hallenbad?“
    „Heute wär ich gern mit dir hingefahren. Aber das gnädige Fräulein hatte ja was anderes vor.“
    „Du warst echt doof vorhin! Und mit Mama unternimmst du auch nichts. Außer fürs Auto interessierst du dich wohl für gar nichts mehr.“
    „Ich muss doch dafür sorgen, dass es in Schuss ist. Ich brauch’s schließlich für den Job!“
    „Warum darf ich

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