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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu verwöhnt, musste er feststellen, als er den Aluminiumbehälter angewidert auf den Beifahrersitz warf. Im Notfall kann ein Mensch mehrere Wochen ohne Nahrung auskommen und an Flüssigkeitsmangel würde er bis zum Morgen auch nicht sterben. Schließlich hatte er keine körperlichen Höchstleistungen zu absolvieren, sondern lediglich im Sitzen den Eingang eines Hauses zu beobachten. Trotzdem hätte er sich wohler gefühlt, wenn sein Magen dabei nicht lautstark grummelnde Geräusche von sich gegeben hätte. Offenbar genauso ein Zeichen der Überflussgesellschaft, denn Hunger konnte das nicht wirklich sein. Auf der Welt gab es so viele Menschen, die mit wesentlich weniger auskommen mussten als die Bevölkerung in diesen Breitengraden. Und dennoch wirkte die Mehrheit der Leute in seiner Umgebung nicht gerade zufrieden. Allein wenn er an seine Kollegen dachte, die ständig jammerten, sich kein größeres Auto mit mehr PS leisten zu können. Oder seine Mutter, die Stunden in irgendwelchen Läden zubrachte, um farblich passende Sofakissen zu den neuen Vorhängen zu finden und völlig deprimiert war, wenn sie ohne entsprechende Accessoires von ihrer stundenlangen Shoppingtour zurückkehrte. Selbst seine Kinder waren diesem Drang bereits verfallen, stets die neuesten Figuren einer bestimmten Spielzeugserie oder noch mehr Anziehsachen für die Barbie zu besitzen. Thamsen versuchte, dem entgegenzusteuern; allein, weil er es sich finanziell nicht leisten konnte, den Kindern jeden Wunsch zu erfüllen. Aber die Gier nach derartigen Konsumgütern steckte längst in ihnen.
    Diese Gier war seiner Meinung nach auch der Auslöser des Börsenbooms. Die Aussicht, schnelles Geld zu machen, reich zu werden, sich mehr und noch mehr leisten zu können, hatte den Anlegern den Verstand völlig vernebelt. Dabei konnte dieser Höhenflug der Aktienkurse gar nicht ewig währen, was bei einer etwas sachlicheren Betrachtung eigentlich jedem hätte klar sein müssen. Wer sollte denn all die Gewinne bezahlen? Aber darüber hatte sich anscheinend kaum jemand Gedanken gemacht, denn der Zusammenbruch der Börsen war quasi über Nacht gekommen, und alle waren in Panik verfallen und versuchten zu retten, was noch zu retten war.
    Er fragte sich, ob er diese Habgier bei seinen Ermittlungen nicht unterschätzt hatte. Immerhin hatten etliche Anleger beachtliche Geldbeträge verloren und wenn er an den Spediteur Sönke Matthiesen dachte, stand dieser nach dem Crash sogar vor dem Konkurs.
    Eifersucht war zwar von jeher eines der stärksten Tatmotive, was aber, wenn Marcel Petersen nicht der Mörder war? Hatte er sich bei seiner Arbeit zu schnell von den Argumenten der drei Freunde beeinflussen lassen?
    Er beugte sich leicht vor, um durch die Windschutzscheibe hinauf zur Wohnung des Verdächtigen zu schauen. In der Zwischenzeit hatte Marcel Petersen das Licht gelöscht und war höchstwahrscheinlich zu Bett gegangen. Es war bereits kurz vor Mitternacht. Viel zu spät, um noch bei der Tagesmutter anzurufen und sich nach den Kindern zu erkundigen. Dirk Thamsen hatte die beiden zu ihr gebracht, bevor er nach Husum gefahren war. Timo hatte lautstark dagegen protestiert. Er fühlte sich mit seinen 13 Jahren zu alt für einen Babysitter und ein klein wenig konnte er seinen Sohn sogar verstehen.
    Als seine Eltern ihn das erste Mal abends allein zu Hause ließen, war er keine fünf Jahre alt gewesen.
    Und auch, wenn sie nur zu einer Geburtstagsfeier bei den Nachbarn eingeladen waren, hatte er sich mächtig erwachsen gefühlt, als seine Mutter zu ihm sagte: ›Pass schön auf das Haus auf. Solange wir fort sind, bist du hier verantwortlich.‹
    Vorausgesetzt, er bliebe nur eine Nacht fort, hätte er Timo auch nicht zur Tagesmutter gebracht, aber da er nicht wusste, wie lange der Einsatz dauerte, hatte er die Betreuung durch einen Erwachsenen für notwendig erachtet. Anne hatte sich natürlich von Timos Gezeter anstecken lassen. »Warum können wir denn nicht wenigstens zu Oma?«
    Anscheinend hatte sie den Streit und überhasteten Aufbruch von der Geburtstagsfeier vergessen. Aber Thamsen hatte sich auf keine Diskussion eingelassen. Die Tagesmutter war eine gute Lösung für alle. Und sein Vater konnte ihn mal. Noch einmal würde er sich nicht nachsagen lassen, er hätte sein Leben nicht im Griff. Schon gar nicht von seinem Vater. Der führte in seinen Augen selbst noch nicht einmal ein richtiges Leben. Bequem eingerichtet hatte er es sich. Das ja. Bloß keine

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