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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Veränderungen, kein Risiko eingehen. Alles wie immer, jeden Tag aufs Neue. Was galt es da auch im Griff zu haben? Aber konnte man diese Form der Existenz wirklich als Leben bezeichnen? Als ein Leben, das man fühlte, spürte und genoss? In dem man täglich vor neue Aufgaben gestellt wurde und stolz darauf war, wenn man sie erfolgreich meisterte? Ein Leben, in dem Glück und Liebe ebenso eine Bereicherung darstellten wie Trauer und Schmerz. Weil es Gefühle waren, die einem bestätigten, lebendig zu sein.
    Doch so griesgrämig, wie Hans Thamsen sich seiner Umwelt präsentierte, empfand er jeden Tag seines Daseins anscheinend nur als eine Qual, als ein notwendiges Übel, das es zu ertragen galt. Er verstand es prächtig, diese miese Stimmung auf andere zu übertragen. Nein, so wie sein Vater wollte Thamsen auf gar keinen Fall sein. Gleich wenn der Fall abgeschlossen war, würde er seine Sparbücher plündern und einen Urlaub planen. Sein Freund hatte ihm von seinem Trip nach Australien erzählt. Das dürfte wahrscheinlich etwas zu teuer für seine Verhältnisse sein, aber vielleicht war eine Reise nach Italien oder Spanien drin. Den Kindern etwas anderes bieten, den Horizont erweitern. Einmal raus aus dem Trott. Das war unsagbar wichtig, damit man nicht völlig verblendet durch die Gegend lief. Und nicht so wurde, wie so viele andere, die statt ihr Leben zu genießen, nur darüber jammerten, wie schlecht es ihnen ging und wie wenig sie sich leisten konnten. Dabei ging es gar nicht immer nur um den Mangel an finanziellen Mitteln. Viele horteten ihr Geld regelrecht wie einen Schatz unter der Matratze oder brachten es zur Bank. Um abgesichert zu sein. Für schlechte Zeiten.
    Natürlich war eine ausreichende Vorsorge notwendig und auch er wollte seine Kinder abgesichert wissen, aber man musste sich hin und wieder mal etwas gönnen. Was blieb einem ansonsten, wenn man immer nur sparte, sich einschränkte, um ein möglichst großes Vermögen anzuhäufen, das man im Alter noch nicht einmal ausgeben konnte? Oder wollte. Weil man ja sein Leben lang dafür gespart hatte, eine solch beachtliche Summe auf den Kontoauszügen ausgewiesen zu bekommen. Aber wenn man sich ab und zu etwas leistete, blieben einem zumindest die Erinnerungen an ein geselliges Abendessen oder einen traumhaften Urlaub, anstelle ein paar nackter Zahlen auf einem Papier.
    Außerdem waren es nicht nur materielle Dinge, die die Tage lebenswert machten. Ein gemeinsamer Nachmittag mit der Familie, ein Spaziergang am Meer kostete kein Geld. Genauso wenig wie ein Nickerchen, dachte er und gähnte. Eine Observation konnte ganz schön ermüdend sein. Dieses stundenlange Herumsitzen und Beobachten zehrte an den Kräften. Er drehte das Radio auf und lauschte der Musik. Der Sender spielte einen Hit von PUR aus den Charts, den ein privater Fernsehkanal zur Hymne des Skisprungwinters machen wollte. Doch nach Thamsens Geschmack ähnelte dieser Song zu sehr einem Klassiker der Band, den er in der Zeit nach seiner Trennung von Iris täglich stundenlang rauf und runter gehört hatte, da er eins zu eins ausdrückte, was er damals empfand.

     
    Doch du gibst mich nicht frei,
    zerrst an meinem Herz.
    Und du ziehst an dem Seil.
    das uns verbunden lässt.
    Lass mich los!
    Lass mich los!
    Lass mich los!
    Lass mich los!

     
    *

     
    »Das hier muss es sein«, Funke wies auf ein kleines Boot mit Außenmotor, das vertäut im Hafen lag. Er hatte sich mit den Besuchern aufgemacht, um das Schiff zu inspizieren, welches Familie Hansen seinen Gästen zur Verfügung stellte. Wenn der Zeitungsreporter tatsächlich als Täter infrage kam, hatte er das Boot vielleicht benutzt, um Arne Lorenzens Leiche aufs Meer hinauszuschaffen. Wobei er sich fragte, wie Petersen von dem Angebot erfahren hatte. Offenbar war er selbst nicht in der Pension abgestiegen. An jenem Wochenende sei laut Frau Hansen neben dem ermordeten Banker lediglich ein älteres Ehepaar zu Gast gewesen. Wo aber hatte Marcel Petersen die Nacht verbracht? Denn am helllichten Tag würde er den Lover seiner Exfreundin kaum umgebracht haben. Jedenfalls bezweifelte Funke das stark.
    »Sieht aber nicht so aus, als sei es in der letzten Zeit benutzt worden«, bemerkte Haie. Die untergehende Sonne ließ das Wasser sanft schimmern. Das Schiff schaukelte träge hin und her.
    »Und was ist das?«, widersprach der Polizist und wies auf die unbefestigte dunkelblaue Abdeckplane. »Das sieht nicht besonders routiniert aus. Eher, als habe es

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