Todeswatt
Petersens Verfolgung aufnehmen wollte und sein Wagen keinen Mucks von sich gegeben hätte.
Erleichtert stieg er aus und reckte sich. Die Straße lag ruhig und verlassen da, obwohl in der Ferne bereits die Morgendämmerung heraufzog. Die Luft war klar und er atmete tief durch, ehe er zur Wohnung hinaufsah. Natürlich konnte er nicht wirklich beurteilen, ob Marcel Petersen noch zu Hause war, aber auf den ersten Blick schien sich nichts verändert zu haben. Die Fenster waren dunkel, alles wirkte ruhig.
Was würde er jetzt für einen Kaffee geben, dachte Thamsen. Ohne dieses schwarze Elixier war er morgens nur ein halber Mensch. Er brauchte den Koffeinkick, um richtig in Gang zu kommen. Außerdem liebte er den Duft frisch gerösteter Bohnen und den kräftigen Geschmack, der ihm so einfach und ursprünglich erschien. Aber um diese Zeit in Husum einen Laden zu finden, der bereits Kaffee anbot, war wahrscheinlich eher aussichtslos. Außerdem konnte er hier sowieso nicht weg. Ein weiteres Mal würde er dem Verdächtigen nicht die Möglichkeit geben, unbemerkt zu entkommen. Er ging einige Schritte und erleichterte seine Blase an einer uneinsehbaren Hausecke.
Wann Marcel Petersen wohl aufbrechen würde? Und, ob tatsächlich alles nach ihrem Plan laufen würde?, fragte er sich.
Während der Mann in der Pension eincheckte, würde Funke auftauchen und der Inhaberin in seinem Beisein einige Fragen stellen. Wenn sie Glück hatten, würde der Zeitungsschreiber vielleicht einen Tee in der Gaststube trinken, oder Thamsen würde ihn im Flur oder an der Rezeption abfangen und in ein Gespräch verwickeln. Er war gespannt auf die Reaktion des Verdächtigen, wenn er mitbekam, dass nach wie vor auf der Insel nach dem Mörder gefahndet wurde. Noch neugieriger war er allerdings auf das Gesicht von Marcel Petersen, wenn die Inhaberin aussagte, ihn an diesem Wochenende auf der Insel gesehen zu haben. Stück für Stück wollten sie ihn so in die Enge treiben.
War das der richtige Weg? Er hatte nie zuvor solch eine Aktion durchgeführt. Aber eigentlich hatten sie an alles gedacht, oder? Er ging in Gedanken zum wiederholten Male Schritt für Schritt den Plan durch. Falls Marcel Petersen seine Beziehung zu Claudia Lemke leugnen sollte, konnten sie ihn mit ihrer Anwesenheit konfrontieren. Thamsen würde sie anrufen, sobald ihr Exfreund sich auf den Weg machte.
Er lief zurück zum Wagen und setzte sich wieder hinein. Der Gedanke an Claudia Lemke machte ihn unruhig. Seit seiner Trennung von Iris hatte er sich für so gut wie keine Frau mehr interessiert. Er hatte einfach keine Zeit, sich mit dem anderen Geschlecht zu beschäftigen. Seine Kinder und die Arbeit lasteten ihn voll aus.
Aber wollte er eigentlich tatsächlich den Rest seines Lebens allein verbringen?
Die Gefühle, die Claudia Lemke in ihm auslöste, verwirrten ihn. Plötzlich merkte er, wie sehr er eine Partnerin und vor allem Zärtlichkeiten und Leidenschaft vermisste. Anscheinend hatte er diese Sehnsucht bisher unterdrückt, aber durch die Begegnung mit dieser umwerfenden Frau war sie plötzlich nicht mehr im Zaum zu halten. Zerriss ihn innerlich, schmerzte beinahe körperlich.
Einige Kinder passierten seinen Beobachtungsposten und unweigerlich musste er an Timo und Anne denken. Die beiden waren eine Bereicherung in seinem Leben, aber er wusste, eines Tages würden sie flügge werden und ihre eigenen Wege gehen.
Wie aber sollte er eine Frau kennenlernen? Durch seinen Job kam er häufig nur mit Kriminellen in Kontakt und seine Kollegen waren meist männlich. In seiner Freizeit, sofern ihm welche blieb, war er immer mit den Kindern zusammen. Wo also sollte er jemandem begegnen? Es gab natürlich die Möglichkeit, auf eine Kontaktanzeige zu antworten. Die Zeitungen waren voll davon. Und schenkte man den Beschreibungen der Damen in diesen Annoncen Glauben, handelte es sich bei den meisten von ihnen um hochintelligente, rassige Superweiber mit spritzigem Humor, voller Spontaneität und Lebenslust, für die Kinder kein Problem darstellten. Wie aber sah die Realität aus? Wo versteckten sich all diese Traumfrauen, die anscheinend händeringend einen Mann suchten?
Er seufzte und drehte den Rückspiegel leicht zu sich. So schlecht sah er eigentlich gar nicht aus für sein Alter, oder?
Plötzlich sah er, wie Marcel Petersen mit einer Reisetasche unterm Arm das Haus verließ. Thamsen rutschte tief in den Sitz und beobachtete, wie der Zeitungsmann zu einem alten Fiat Punto lief, sein
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