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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
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verkraften«, sagte ich. »Sie ist schließlich kein Kind mehr.«
    »Sie tut immer so erwachsen, aber in Wirklichkeit ist sie ein kleines Mädchen, Georg. Du verbringst alle zwei Wochen anderthalb Tage mit ihr. Glaubst du, du verstehst, was in ihr vorgeht?«
    »Nein, das habe ich ja nicht mal bei dir verstanden.«
    »Spar dir deine blöden Sprüche!«, fuhr mich Imke an. »Ich darf jetzt wieder ausbaden, was du angerichtet hast.«
    »Es tut mir ja auch leid, dass sie das miterlebt hat«, sagte ich. »Aber wie, bitte schön, hätte ich es verhindern sollen?«
    »Warum musstest du sie überhaupt in dieses idiotische Varieté schleppen?«
    »Sarah hat mir die Eintrittskarte zum Geburtstag geschenkt. Ich habe mir diesen Abend weder gewünscht noch jemals erwähnt, dass ich ein Fan von Zaubertricks und Artisten mit Gummikörpern bin.« Mein Vorsatz, nicht die Beherrschung zu verlieren, geriet ins Wanken. »Im Übrigen ist ein Varieté kein gefährlicher Ort. In hunderttausend Vorstellungen kommt es vielleicht einmal zu einem Unfall. Es war einfach Pech, verdammtes Pech.«
    »Nur komisch, dass du das Pech anziehst wie ein Scheißhaufen die Fliegen. Wann hast du in deinem Leben das letzte Mal Glück gehabt, Georg Wilsberg?«
    Ich starrte den Hörer an. Imke hatte die Gabe, mit traumwandlerischer Sicherheit die Stelle zu treffen, an der es am meisten schmerzte. Ich atmete tief durch. »Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Mit Sarah? Nein. Sie schläft und ich werde sie nicht aufwecken. Versuch’s heute Abend noch mal.«
    Ein Klicken und die Leitung war tot.
    Von draußen drang ohrenbetäubender Lärm in mein Büro. Ich ging zum Fenster. Einer meiner Nachbarn schlenderte mit umgehängtem Laubbläser und putzigen roten Ohrschützern durch seinen Garten. Die wenigen Blätter, die er dabei aufwirbelte, hätte er mit einer Harke zehnmal schneller entfernt. Seit der Erfindung des Laubbläsers hege ich den Verdacht, dass Gartenarbeit für manche Männer zum reinen Vorwand geworden ist, den Mitmenschen ungestraft auf die Nerven gehen zu können. Wer auch immer dieses Gerät konstruiert hatte – es musste sich um einen ausgesprochenen Menschenfeind handeln.
    Ich schloss das Fenster, gleichzeitig klingelte das Telefon. Mit zwei Schritten war ich am Schreibtisch.
    »Wilsberg!«
    »Schlechte Laune oder was?«, fragte Hauptkommissar Stürzenbecher.
    »Was willst du?«
    »Setz dich ins Auto und komm zum Rechtsmedizinischen Institut.«
    »Wohin?«
    »Zum Rechtsmedizinischen Institut an der Von-Esmarch-Straße«, wiederholte er überdeutlich, als hätte ich ein akustisches Problem.
    »Das habe ich verstanden. Aber was soll ich da?«
    »Erklär ich dir, wenn du hier bist. Ich erwarte dich in einer Viertelstunde.«
    Aufgelegt. Anscheinend hatte nicht nur Imke ihre Freundlichkeit mit den gestrigen Geburtstagsglückwünschen aufgebraucht.
     
    Eine aufreibende Parkplatzsuche und zwanzig Minuten später stand ich vor dem unscheinbaren Neubau im Klinikviertel. Das Rechtsmedizinische Institut war für alle unklaren Todesfälle in der näheren und weiteren Umgebung Münsters zuständig. Wobei die unklaren Todesfälle, wie die Rechtsmediziner in einer empirischen Untersuchung festgestellt hatten, mit der Entfernung von Münster stetig abnahmen. Das mochte daran liegen, dass im Landkreis Borken oder in Ostwestfalen weniger gemordet wurde. Möglich war aber auch, dass die dortigen Kriminalbeamten keine Lust auf Dienstreisen nach Münster hatten und den Ärzten im Zweifelsfall nahelegten, eine natürliche Todesursache zu attestieren.
    Ich klingelte und der Pförtner ließ mich in den verschlossenen Vorraum. Nachdem ich meinen Namen und mein Anliegen genannt hatte, hängte er sich ans Telefon.
    Es dauerte nicht lange, bis Stürzenbechers massige Gestalt hinter der inneren Glastür auftauchte.
    Als ich ihm die Hand schüttelte, glaubte ich, einen leichten Geruch von Verwesung und Desinfektionsmittel wahrzunehmen. Aber das konnte auch die Ahnung dessen sein, was mich erwartete.
    »Komm mit runter!«, sagte der Leiter des KK 11. Sein Kommissariat im münsterschen Polizeipräsidium wurde tätig, wenn es um Gewaltverbrechen ging. Hauptsächlich deshalb waren wir uns in den letzten Jahren häufig über den Weg gelaufen. Und trotz aller Probleme, die das mit sich brachte, hatte sich zwischen uns eine Art Freundschaft entwickelt.
    »Wer ist eigentlich tot?«, fragte ich, als wir die Treppe hinabstiegen.
    »Stefan Hubertus.«
    »Wer?«
    »Bist du heute

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