Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
niedergeschlagen, sondern auch sturzbetrunken gewesen.
Kurzerhand hatte Jennifer sich ins Auto gesetzt und war zu ihm gefahren. Sie hatte ihren Kollegen in einem bemitleidenswerten und besorgniserregenden Zustand vorgefunden. Da Jennifer ohnehin nichts für ihn tun konnte, hatte sie ihm zugehört, während er ihr die gesamten lausigen Details seines immer mehr ausufernden Ehestreits berichtet und sich noch weiter betrunken hatte.
Letztlich hatte sie selbst ein Bier gebraucht, um die Kriegsmethoden von Marcels Frau einigermaßen verdauen zu können. Das Repertoire reichte von der Zerstörung gemeinsamer Erinnerungsstücke bis hin zum Aufhetzen von Freunden, Nachbarn und sogar Marcels Eltern. Selbst vor den gemeinsamen Kindern machte seine Frau nicht Halt.
Jennifer war mehr als nur wütend gewesen. Nicht zuletzt deshalb, weil Marcel seiner Frau nicht den geringsten Grund gegeben hatte, derart zu reagieren.
Nachdem Marcel betrunken auf dem Bett zusammengesunken und eingeschlafen war, wäre sie am liebsten zu seiner Frau gefahren und hätte ihr die Leviten gelesen. Doch sie wusste, dass ihr Kollege und Freund sie nur als Zuhörerin gebraucht und nicht darum gebeten hatte, einzugreifen.
Es fiel ihr schwer, sich zurückzuhalten, vor allem, weil Marcel innerhalb kürzester Zeit in ein so tiefes Loch gefallen war, dass sie nicht wusste, ob er jemals wieder herauskommen würde. Noch konnte sie ihn schützen. Solange er krankgeschrieben war, hatte er nicht mit dienstlichen Konsequenzen zu rechnen.
Aber sie kannte ihren Chef. Wenn Möhring auch nur ansatzweise der Verdacht käme, dass einer seiner Kommissare auf dem besten Weg zum Trinker war, würde er sich von ihm trennen. Ohne mit der Wimper zu zucken.
Es war ein Problem, doch ein Problem, um das Jennifer sich derzeit nicht kümmern konnte. Erst wenn sie diesem verrückten Typen ein Gesicht gegeben hatte und ihn hinter Schloss und Riegel wusste, konnte sie sich um Marcel kümmern. Ob er wollte oder nicht.
Unbewusst stieß sie einen Seufzer aus.
»Versuchen Sie gerade, das alles irgendwie in einen logischen Zusammenhang zu bringen?«, fragte Grohmann und bog in die Straße ein, in der das Revier lag. »Habe ich auch schon versucht. So richtig will es mir aber noch nicht gelingen.«
Im ersten Augenblick wusste sie gar nicht, was der Staatsanwalt meinte. Dann nickte sie nur.
Wenige Minuten später betraten sie ihr Büro. Das Hochfahren des Computers dauerte wesentlich länger als bei Jennifer zu Hause. Sie ging die Informationen auf dem Rechner durch und fand schließlich die Daten, die sie bisher über den besagten Shop im Einkaufszentrum erfasst hatten.
Es war nicht viel.
Nur die wenigen Informationen, die die Verwaltung des Zentrums zur Verfügung gestellt hatte, sowie knappe Vermerke über die Ergebnisse der schnellen Überprüfung, der sie jeden einzelnen Mitarbeiter des Einkaufszentrums auf der Suche nach einer Verbindung zwischen den Opfern vor knapp zwei Monaten unterzogen hatten.
Es war ein kleines Geschäft mit einem Verkaufsraum, einem Lagerraum und einem Büro. Von der Verwaltung wurde es unter der Kategorie »Drogerie & Parfümerie« geführt.
Als Mitarbeiter gab es nur den Inhaber, der die Geschäftsräume gepachtet hatte und gleichzeitig als Geschäftsführer auftrat, und eine Angestellte, die seit der Eröffnung vor drei Jahren dort arbeitete. Sie hatten ein paar Grunddaten über Chef und Angestellte wie Name, Anschrift, Geburtsdatum und Sozialversicherungsnummer.
Die Überprüfung hatte bei der Angestellten nichts ergeben.
Freya hatte aber vermerkt, dass der Inhaber vorbestraft war. Es konnte keine große Sache gewesen sein, sonst hätte die Büroassistentin sie informiert und es nicht bei einem oberflächlichen Screening belassen.
Jennifer startete die notwendigen Systeme und gab den Namen und die Daten des Ladenbesitzers ein.
Nach wenigen Minuten wusste sie, warum die Überprüfung seiner Person trotz der Vorstrafe nicht weiter in die Tiefe gegangen war. Seine Verurteilung lag eine halbe Ewigkeit zurück, und die Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. In einem offiziellen Ausdruck seines Strafregisters würde die Verurteilung nicht einmal mehr auftauchen.
Jennifer forderte die Akte an. Was früher einen Haufen Papierkram und wochenlanges Warten bedeutet hatte, erforderte im gut vernetzten Zeitalter, zumindest bei Fällen, die bereits entsprechend erfasst worden waren, nur noch die Identifikation ihrer Person über das System und ein
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