Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
das richtige Gespür bewiesen. Einmal mehr kam ihr der Gedanke, dass er seinen Beruf verfehlt hatte. Er gehörte weder hinter einen Schreibtisch noch in einen Gerichtssaal.
Sie begegnete dem Blick seiner Augen, die sie erwartungsvoll ansahen.
Konnte es sein? Konnte dieses kleine Geschäft, diese Parfümerie im Einkaufszentrum tatsächlich die Verbindung sein, die ihnen zum Durchbruch verhalf? Wenn es nur der Laden gewesen wäre, hätte sie größere Zweifel gehabt, doch irgendetwas sagte ihr, dass auch die ähnlichen Düfte eine Rolle spielen mussten.
Jennifer zügelte ihre eigene Euphorie. Noch wussten sie nichts mit Sicherheit. Möglicherweise hatte Grohmann nur eine weitere Spur entdeckt, die ins Nichts führte.
Sie nickte langsam. »Wir müssen den Laden inklusive Chef und Mitarbeiter überprüfen. Außerdem müssen wir verifizieren, ob tatsächlich alle unsere Opfer dort eingekauft haben und wenn, dann was.«
Sie hatten in den letzten beiden Tagen bereits einige Geschäfte überprüft, Besuche getätigt, eine Menge Fragen gestellt. Das waren jedoch alles Unternehmen gewesen, die in Lemanshain mehr oder weniger einmalig waren und ausschließlich weibliche Kundschaft hatten, darunter einige spezialisierte Bekleidungsgeschäfte.
Von Drogerien und Parfümerien konnte man das nur eingeschränkt behaupten. Dieser Laden im Einkaufszentrum wäre also vermutlich erst in zwei oder drei Wochen an der Reihe gewesen.
Der Staatsanwalt konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Das sollten wir tun. Das Einkaufszentrum öffnet um zehn Uhr, der Laden ebenfalls. Bis dahin sollten wir die vorhandenen Informationen sichten und uns den Inhaber und seine Angestellten ein wenig genauer ansehen. Anschließend könnten wir eine kleine Einkaufstour machen.«
Jennifer warf einen Blick auf die Uhr. Es war noch nicht einmal eine Stunde vergangen, seitdem er aufgetaucht war. Einen Moment lang überlegte sie, kurz unter die Dusche zu springen, entschied sich dann aber dagegen. So würden sie und Grohmann wenigstens ein einigermaßen gleich derangiertes Bild abgeben.
»Ich habe hier leider keinen Zugriff auf alle Systeme. Wir müssen ins Büro«, erklärte sie.
Grohmann hielt seinen Autoschlüssel hoch. »Etwas dagegen, wenn ich fahre?«
Hatte sie nicht. Immerhin hatte sie vor nicht einmal drei Stunden ihr letztes Bier getrunken. »Nicht im Geringsten.«
Auf dem Weg ins Revier saßen sie stumm nebeneinander.
Jennifer ging in Gedanken noch einmal die Informationen durch, die ihnen bisher zur Verfügung standen. Ihre Zweifel rangen mit ihren Hoffnungen.
Dass fünf von sechs Opfern höchstwahrscheinlich Kundinnen in diesem Laden gewesen waren, konnte vieles oder rein gar nichts bedeuten. Dass sie noch dazu denselben Geschmack hatten, was ihre bevorzugten Duftnoten anging, war schon auffälliger.
Wie ähnlich sich die Düfte tatsächlich waren, mussten sie allerdings erst noch mittels Duftproben herausfinden. Doch Jennifer vertraute darauf, dass Grohmann sich das nicht einfach zusammenphantasiert, sondern durch Recherchen abgesichert hatte.
Waren die Düfte also eine Verbindung zu ihrem Täter?
Jennifer dachte an die Bilder, die der Mörder seinen Opfern in den Rücken geritzt hatte, und versuchte irgendeinen Zusammenhang zwischen blumigen, schweren, süßlichen Düften und den Motiven herzustellen.
Nichts.
Je länger sie die verschiedenen Möglichkeiten durchging und auch die abwegigsten Konstellationen bedachte, die die Überschneidung zwischen den Opfern, dem Geschäft und dem Killer erklärten, desto überzeugter war sie, dass der Mörder in direkter Verbindung mit dem Shop im Einkaufszentrum stehen könnte.
Ein Angestellter? Der Chef persönlich? Sie hoffte, dass ihnen bereits die ersten Überprüfungen einen brauchbaren Hinweis liefern würden.
Bei dem Gedanken, dass sie sich möglicherweise doch nur an einen weiteren Strohhalm klammerten, überrollte sie eine Welle der Erschöpfung. Das Brummen des Motors schien sie förmlich in den Sitz zu drücken, und sie spürte, wie ihre Lider schwer wurden.
Wieso musste Grohmann diese Verbindung ausgerechnet jetzt entdecken?
Die Nacht war ereignisreich und dafür umso kürzer gewesen. Am späten Abend hatte sie noch mit Gaja zusammen auf dem Sofa gelegen und durch das nächtliche Fernsehprogramm geschaltet, als ihr Handy geklingelt hatte. Der Anrufer war Marcel. Er hatte in einem billigen Motel unweit der A66 Zuflucht vor seiner Ehefrau gesucht und war nicht nur
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