Todeszeit
gelb-braunen Hawaiihemds flattern. »Haben Sie Zeit für mich?«, fragte er, zum Fenster gebeugt.
»Eigentlich nicht«, sagte Mitch. »Ich habe einen Termin beim Arzt.«
»Macht nichts. Ich halte Sie nicht lange auf. Können wir uns in der Garage unterhalten, wo es nicht so zieht?«
Dort lag die Leiche von John Knox offen auf der Ladefläche des Buick. Es war nicht unwahrscheinlich, dass der Kriminalbeamte zu ihr hingezogen wurde, entweder weil er eine berufsbedingt feine Nase für Verwesungsgeruch hatte oder aus Bewunderung für den eleganten Oldtimer.
»Setzen Sie sich doch einfach neben mich«, sagte Mitch und ließ sein Fenster wieder zugehen, während er ganz aus der Garage fuhr.
Er betätigte die Fernbedienung. Während das Tor sich schloss, parkte er parallel dazu auf dem Fahrweg.
Taggart setzte sich auf den Beifahrersitz. »Na, haben Sie wegen der Termiten schon den Kammerjäger bestellt?«
»Noch nicht.«
»Schieben Sie’s nicht zu lange hinaus.«
»Tu ich schon nicht.«
Mitch starrte unverwandt nach vorne. Er war entschlossen, sich Taggart nur gelegentlich zuzuwenden, weil er sich nur zu gut daran erinnerte, welch durchdringende Kraft dessen Blick besaß.
»Falls Sie sich Sorgen wegen der Pestizide machen – das Zeug muss man heutzutage nicht mehr verwenden.«
»Ich weiß. Man kann die Viecher in den Wänden einfrieren. «
»Da gibt es sogar noch was Besseres: einen hochkonzentrierten Orangenextrakt, der die Tierchen beim Kontakt tötet. Das ist völlig natürlich, und das Haus riecht großartig. «
»Orangenextrakt. Darüber muss ich mich gleich informieren. «
»Wahrscheinlich waren Sie inzwischen zu beschäftigt, um über die Termiten nachzudenken.«
Ein Unschuldiger hätte sich wohl gefragt, was das Ganze eigentlich sollte, und mit Ungeduld reagiert. Deshalb riskierte Mitch die Frage: »Weshalb sind Sie hier, Lieutenant?«
»Ich wollte mit Ihrem Bruder sprechen, aber der hat nicht aufgemacht.«
»Er ist bis morgen weg.«
»Wo ist er denn hin?«
»Nach Vegas.«
»Wissen Sie, in welchem Hotel er übernachtet?«
»Das hat er mir nicht gesagt.«
»Haben Sie denn die Türglocke nicht gehört?«, fragte Taggart.
»Wahrscheinlich war ich schon aus dem Haus, als es geläutet hat. Ich hatte noch allerhand in der Garage zu tun.«
»Sie kümmern sich wohl um das Haus, während Ihr Bruder weg ist?«
»Genau. Weshalb wollen Sie mit ihm sprechen?«
Der Lieutenant zog ein Bein an und drehte sich zu Mitch hin, als wollte er diesen zwingen, ihm in die Augen zu blicken. »Im Adressbuch von Jason Osteen stehen die Telefonnummern Ihres Bruders.«
Froh, auch mal etwas Wahres sagen zu können, erklärte Mitch: »Die beiden haben sich kennengelernt, als ich mit Jason zusammenwohnte.«
»Und während Sie den aus den Augen verloren haben, hat Ihr Bruder Kontakt mit ihm gehalten?«
»Keine Ahnung. Ja, schon möglich. Jedenfalls haben die zwei sich damals gut verstanden.«
Im Lauf der Nacht und des Morgens waren alle losen Blätter, aller Abfall und Staub ins Meer geweht worden. Nun trug der Wind nichts mehr mit sich, was ihn deutlich erkennbar machte. So unsichtbar wie Druckwellen stürmten kristallklare Böen den Fahrweg entlang und brachten den Honda zum Schaukeln.
»Jason hatte eine Beziehung mit einer jungen Frau namens Leelee Morheim«, sagte Taggart. »Kennen Sie die vielleicht? «
»Nein.«
»Ms. Morheim sagt, Jason hätte Ihren Bruder gehasst, weil er ihn bei irgendeinem Deal aufs Kreuz gelegt hätte.«
»Bei was für einem Deal?«
»Das weiß Ms. Morheim nicht. Eines ist allerdings ziemlich klar – auf ehrliche Weise hat Jason sein Geld nicht verdient. «
Diese Aussage machte es erforderlich, dass Mitch dem Beamten in die Augen sah und mit überzeugender Verblüffung die Stirn runzelte. »Wollen Sie damit sagen, dass Anson an irgendwelchen krummen Dingern beteiligt war?«
»Halten Sie das denn für möglich?«
»Er hat einen Doktor in Linguistik, und außerdem ist er ein Computerfreak.«
»Ich bin schon auf einen Physikprofessor gestoßen, der seine Frau ermordet hat, und auf einen Pfarrer, der ein Kind auf dem Gewissen hatte.«
Angesichts der neuesten Ereignisse hatte Mitch endgültig nicht mehr den Eindruck, Taggart könnte mit den Entführern unter einer Decke stecken.
Wenn du dem was verraten hättest, Mitch, dann wäre deine Frau jetzt tot.
Er machte sich auch keine Sorgen mehr, dass ihn die Entführer permanent beobachteten oder seine Gespräche belauschten.
Weitere Kostenlose Bücher