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Todeszeit

Todeszeit

Titel: Todeszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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VERWANZT.
    Ansons verblüffter Blick hatte etwas Verwundertes an sich. Mitch fühlte sich an den Ausdruck erinnert, mit dem sein Bruder ihm früher Geschichten über Piraten und heroische Seeschlachten vorgelesen hatte. Offenbar glaubte Anson, in ein denkwürdiges Abenteuer hineingeraten zu sein, und war sich der damit verbundenen Gefahr überhaupt nicht bewusst.
    Um das erstaunte Schweigen seines Bruders etwas zu kaschieren, sagte Mitch: »Übrigens hat er gerade ein neues Prachtstück erworben. Angeblich handelt es sich um Ceratosauruskot. Aus Colorado beziehungsweise dem Oberen Jura.«
    Anschließend schob er einen weiteren Zettel über den Tisch: SIE MEINEN ES ERNST. ICH HABE GESEHEN, WIE SIE JEMANDEN ERMORDET HABEN.
    Während Anson las, zog Mitch sein Handy aus der Jackentasche und legte es auf den Tisch. »Angesichts unserer Familienverhältnisse ist es freilich äußerst passend, dass wir mal eine Sammlung polierte Scheiße erben.«
    Anson zog einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. Nun sah er nicht mehr verwundert, sondern besorgt aus, und ging sofort auf Mitchs täuschend belangloses Geplauder ein. »Wie viele von den Dingern hat er inzwischen eigentlich?«, fragte er.
    »Er hat es mir gesagt, aber ich hab’s gleich wieder vergessen«, sagte Mitch. »Auf jeden Fall ist sein Arbeitszimmer jetzt eine wahre Kloake.«
    »Manche der Kugeln sind allerdings recht hübsch.«
    »Sehr hübsch sogar«, sagte Mitch, während er schrieb: SIE RUFEN UM 7.30 AN.

    Mit großen Augen formte Anson mit dem Mund die Worte: Wer? Was?
    Mitch schüttelte den Kopf. Er zeigte auf die Wanduhr, die inzwischen drei Minuten vor halb acht anzeigte.
    Das ebenso befangene wie dümmliche Gespräch ging weiter, bis es pünktlich auf die Minute läutete. Das Läuten kam nicht von Mitchs Handy, sondern vom Küchentelefon.
    Anson sah ihn fragend an.
    Eigentlich hatte Mitch den Anruf auf seinem Handy erwartet. Da es sich um einen Zufall handeln konnte, forderte er seinen Bruder mit einer Geste auf, den Hörer abzunehmen.
    Beim dritten Läuten hatte Anson das bereits getan. Als er den Hörer ans Ohr hielt, strahlte er. »Holly!«
    Mitch schloss die Augen, ließ den Kopf sinken und schlug die Hände vors Gesicht. An Ansons Reaktion erkannte er, dass Holly schrie.

20
    Mitch hätte gedacht, dass er ans Telefon gerufen würde, doch der Kidnapper sprach nur mit Anson, und das auch noch mehr als drei Minuten.
    Worum es im ersten Teil der Unterhaltung ging, war offensichtlich und konnte aus dem abgeleitet werden, was Anson erwiderte. Der Rest war nicht so leicht zu interpretieren, unter anderem deshalb, weil Ansons Antworten immer kürzer wurden. Seine Stimme bekam dabei einen deutlich grimmigeren Ton.
    Als Anson aufgelegt hatte, fragte Mitch sofort: »Sag, was wollen sie von uns?«
    Statt etwas zu erwidern, trat Anson zum Tisch und griff nach der Flasche Chianti. Er füllte sein Glas auf.
    Überrascht sah Mitch, dass sein eigenes Glas bereits leer war, obwohl er sich nur daran erinnerte, einen oder zwei Schlucke genommen zu haben. Ablehnend hob er die Hand.
    Trotzdem goss Anson ihm ebenfalls nach. »Wenn dein Herzschlag dasselbe Tempo hat wie meiner, dann verbrennst du zwei Gläser von dem Zeug, noch während du es schluckst«, sagte er.
    Mitchs Hände zitterten, allerdings nicht vom Alkohol. Vielleicht wirkte ein weiterer Schluck Wein jetzt doch beruhigend.
    »Mickey?«, sagte Anson fragend.
    Mit diesem liebevollen Spitznamen hatte er Mitch während einer besonders schwierigen Periode ihrer Kindheit gerufen.

    Als Mitch den Blick von seinen zitternden Händen hob, sagte Anson: »Es wird ihr nichts zustoßen. Das verspreche ich dir, Mickey. Ich schwöre dir, dass Holly nichts geschehen wird. Nicht das kleinste bisschen.«
    In den entscheidenden Jahren von Mitchs Jugend war sein Bruder für ihn wie ein vertrauenswürdiger Steuermann gewesen, der sich und seine Geschwister durch alle Stürme lenkte und Mitch Schützenhilfe gab, wann immer das nötig war. Wenn er nun jedoch versprach, es werde Holly nichts geschehen, so übernahm er sich, denn in diesem Fall standen die Kidnapper am Ruder.
    »Was wollen sie von uns?«, fragte Mitch noch einmal. »Ist es überhaupt machbar? Ist es etwas, das wir tatsächlich tun können, oder ist es so absurd, wie es mir vorgekommen ist, als er das erste Mal zwei Millionen Dollar von mir verlangt hat?«
    Wieder gab Anson keine Antwort. Stattdessen setzte er sich, stützte die muskulösen Unterarme auf den Tisch

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