Todeszeit
Anson, »aber ich habe immer noch das Haus.«
»Das kann ich nicht zulassen.«
»Wenn ich es einmal verdient habe, kann ich es wieder verdienen.«
»Nicht so viel. Und nicht ohne Weiteres.«
»Was ich mit meinem Geld anfange, ist meine Sache, Mickey. Und ich will damit dafür sorgen, dass Holly unversehrt wieder nach Hause kommt.«
Durch das purpurne Licht und die weichen Schatten, die rasch härter wurden, kam eine Katze mit rötlich gelbem Fell die Einfahrt entlang.
Im Strudel widerstrebender Gefühle gefangen, traute Mitch es sich nicht zu, etwas Vernünftiges zu sagen. Deshalb beobachtete er die Katze und atmete dabei langsam und tief ein und aus.
»Weil ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe«, fuhr Anson fort, »missbrauchen diese Dreckskerle dich und Holly, um mich unter Druck zu setzen.«
Dass Anson derart wohlhabend war, hatte Mitch so verblüfft, dass er nicht selbst auf diese naheliegende Erklärung für die ihm bisher völlig unverständliche Entführung gekommen war.
»Wenn es jemanden gäbe, der mir näherstehen würde«, sagte Anson, »dann hätten sie sich den geschnappt, und Holly wäre verschont geblieben.«
Die Katze kam immer langsamer auf den Wagen zu, bis sie schließlich davor stehen blieb und zu Mitch hochschaute. Inmitten des reflektierten Sonnenlichts strahlten ihre Augen jadegrün.
»Es hätte auch eine unserer Schwestern treffen können, nicht wahr? Megan, Connie oder Portia. Das wäre auch nichts anderes.«
»So, wie du lebst, so unauffällig, wie sind die bloß darauf gekommen?«, überlegte Mitch laut.
»Durch jemanden, der in einer Bank oder als Börsenmakler arbeitet … ein krummer Hund am falschen Platz.«
»Hast du denn irgendeine Ahnung, wer das sein könnte?«
»Ich habe noch keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, Mickey. Frag mich morgen noch mal.«
Die Katze löste sich aus ihrer Starre. Langsam strich sie an der Seite des Wagens vorbei und verschwand aus dem Blick.
Im selben Moment flog ein Vogel auf, eine Taube, die wahrscheinlich verstreute Krumen aufgepickt hatte. Ihre Flügel schlugen gegen das Fenster der Fahrertür, während sie sich auf einen sicheren Ast rettete.
Das Geräusch der Flügel kam so plötzlich, dass Mitch wie im Traum den Eindruck hatte, bei ihrem Verschwinden sei die Katze zu dem Vogel geworden.
Er sah seinen Bruder an. »Bisher habe ich keine Möglichkeit gesehen, die Polizei zu informieren. Aber jetzt ist alles anders. Du kannst das tun.«
Anson schüttelte den Kopf. »Die haben vor deinen Augen jemanden erschossen, um ein Zeichen zu setzen.«
»Stimmt.«
»Und du hast das Zeichen verstanden.«
»Stimmt ebenfalls.«
»Tja, und ich habe auch verstanden. Falls diese Typen nicht bekommen, was sie wollen, werden sie Holly ohne Zögern töten und das anschließend dir oder uns beiden in die Schuhe schieben. Erst holen wir Holly da raus, und dann gehen wir zur Polizei.«
»Zwei Millionen Dollar …«
»Es ist nur Geld«, sagte Anson.
Mitch kam in den Sinn, dass sein Bruder gesagt hatte, er mache sich nichts daraus, in der Gesellschaftsspalte zu erscheinen. Stattdessen interessiere er sich für Ideen und daran, irgendwann einmal »richtig frei« zu sein.
Er wiederholte diese beiden Worte und fügte hinzu: »Ich weiß, was das bedeutet. Die Segeljacht. Ein Leben auf dem Meer.«
»Ist nicht so wichtig, Mickey.«
»Klar ist es wichtig! Mit so viel Geld bist du schon nahe dran, das Boot zu kaufen und ein Leben ohne Ketten zu führen.«
Nun war Anson an der Reihe, im rötlichen Licht und den scharfen Schatten nach einer Katze oder einer ähnlichen Ablenkung Ausschau zu halten.
»Ich weiß, du planst dein Leben ganz genau«, fuhr Mitch fort. »Das hast du immer schon getan. Wann wolltest du aufhören zu arbeiten, um so zu leben, wie du willst?«
»Das ist doch sowieso ein Kindertraum, Mickey. Piratengeschichten und Seeschlachten.«
»Wann?«, drängte Mitch.
»In zwei Jahren. Wenn ich fünfunddreißig bin. Nun dauert es eben ein paar Jahre länger. Vielleicht bekomme ich das Geld viel schneller zurück, als ich glaube. Meine Geschäfte laufen ausgezeichnet.«
»Der Vertrag mit China.«
»Der und andere Dinge. Ich bin eben wirklich gut in meinem Job.«
»Ich will dein Angebot ja gar nicht ausschlagen«, sagte Mitch. »Für Holly würde ich sterben, deshalb ist es mir natürlich auch recht, wenn du wegen ihr pleitegehst. Aber ich lasse nicht zu, dass du die Sache herunterspielst. Es ist ein gigantisches
Weitere Kostenlose Bücher