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Todeszeit

Todeszeit

Titel: Todeszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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hörte, schwangen die schweren Eisenflügel des Tors nach innen auf. Dahinter begann eine zweispurige Zufahrt mit Kopfsteinpflaster, die von majestätischen Phönixpalmen flankiert war. Sämtliche Stämme waren von unten her angestrahlt; die mächtigen Wedel bildeten einen Baldachin über der Straße.
    Während Mitch durch das Tor fuhr, hatte er den Eindruck, im Paradies gelandet zu sein.
    Die Zufahrt war bestimmt fast einen halben Kilometer lang. Auf beiden Seiten verschwanden riesige, zauberhaft beleuchtete Rasenflächen und Blumenbeete im geheimnisvollen Dunkel.
    »Sechseinhalb penibel gepflegte Hektar«, kommentierte Anson.
    »Da muss er schon ein Dutzend Leute haben, die sich nur um den Garten kümmern.«

    »Zweifellos.«
    Von den roten Ziegeldächern über die Kalksteinmauern, die golden erleuchteten Fenster, die Säulen und Balustraden bis hin zu den Terrassen war es dem Architekten gelungen, ebenso viel Anmut wie Pracht zu entfalten. Obwohl die im Stil der Neorenaissance gehaltene Villa so groß war, dass sie abweisend hätte wirken sollen, sah sie einladend aus.
    An ihrem Ende umrundete die Zufahrt einen spiegelnden Teich, in dessen Mitte ein Springbrunnen mit sich kreuzenden Fontänen silbern glitzernde Bogen in die Nacht warf. Mitch parkte direkt daneben.
    »Hat dieser Bursche eigentlich eine Herde Goldesel im Stall?«
    »Er ist im Entertainment tätig. Kinofilme, Spielkasinos, alles Mögliche.«
    Die Prunkentfaltung schüchterte Mitch ein, weckte in ihm jedoch auch die Hoffnung, dass Julian Campbell ihnen tatsächlich helfen konnte. Wenn dieser Mann solchen Reichtum erworben hatte, nachdem er schwer verwundet und vom FBI als dienstunfähig entlassen worden war, wenn er derart schlechte Karten auf der Hand gehabt und trotzdem gewonnen hatte – dann musste er tatsächlich so gewieft sein, wie Anson es versprach.
    Ein Mann mit silbernen Haaren, dem Verhalten nach ein Butler, begrüßte sie auf der Terrasse, stellte sich mit dem Namen Winslow vor und begleitete sie hinein.
    Die beiden Brüder folgten Winslow durch eine hohe, mit weißem Marmor geflieste Eingangshalle, deren Stuckdecke mit vergoldetem Blattwerk verziert war. Nachdem sie ein mindestens zwanzig mal fünfundzwanzig Meter großes Wohnzimmer durchquert hatten, kamen sie schließlich in eine mit Mahagoni getäfelte Bibliothek.
    Auf Mitchs Nachfrage hin erklärte Winslow, die Sammlung
zähle über sechzigtausend Bände. »Mr. Campbell wird gleich bei Ihnen sein«, sagte er und verschwand.
    Die Bibliothek, die eindeutig mehr Quadratmeter hatte als Mitchs Bungalow, bot ein halbes Dutzend Sitzgruppen mit Sofas und Sesseln.
    Die beiden ließen sich auf zwei an einem Couchtisch stehenden Sesseln nieder. »Das ist das Wahre«, sagte Anson seufzend.
    »Wenn dieser Bursche nur halb so eindrucksvoll ist wie sein Haus …«
    »Julian ist fantastisch, Mickey. Er ist der Beste, garantiert. «
    »Offenbar hält er allerhand von dir, wenn er bereit ist, dich so kurzfristig zu empfangen, und das auch noch nach zehn Uhr abends.«
    Anson lächelte kläglich. »Was würden wohl unsere Eltern sagen, wenn ich dein Kompliment mit ein paar bescheidenen Worten abweisen würde?«
    »Bescheidenheit bedeutet mangelndes Selbstvertrauen«, zitierte Mitch. »Das wiederum ist verwandt mit Schüchternheit, und die ist ein Synonym für Ängstlichkeit. Ängstlichkeit ist ein Merkmal der Sanftmütigen. Statt das Erdreich zu besitzen, wie es fälschlich in der Bibel heißt, dienen sie denen, die selbstsicher sind und sich durchzusetzen wissen.«
    »Großartig, kleiner Bruder. Du bist unglaublich!«
    »Das hättest du doch bestimmt auch Wort für Wort zitieren können, oder?«
    »Das meine ich nicht. Du bist in diesem Rattenkäfig, diesem absurden Versuchslabyrinth aufgewachsen, und trotzdem bist du wahrscheinlich der bescheidenste Mensch, den ich kenne.«
    »Aber ich hab Probleme«, sagte Mitch. »Massenhaft.«

    »Siehst du? Deine Reaktion darauf, dass man dich bescheiden nennt, besteht in Selbstkritik.«
    Mitch lächelte. »Offenbar habe ich im Lernzimmer nicht besonders viel gelernt.«
    »Für mich war das Lernzimmer gar nicht das Schlimmste«, sagte Anson. »Was ich mir nie aus dem Hirn kratzen werde, ist das Schamspiel.«
    Schon bei der bloßen Erinnerung schoss Mitch das Blut ins Gesicht. »Scham besitzt keinen gesellschaftlichen Nutzen. Sie ist das Kennzeichen eines abergläubischen Geistes«, leierte er herunter.
    »Wann haben sie dich eigentlich zum ersten Mal gezwungen,

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