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Todeszeit

Todeszeit

Titel: Todeszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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habe, Bruderherz.«
    Mitch fragte sich, wieso er Anson nichts von der Pistole erzählt hatte, sobald sie im Wagen gesessen hatten und wahrscheinlich nicht belauscht wurden. Vielleicht war ganz tief in ihm doch ein Misstrauen gegenüber seinem Bruder vergraben gewesen, das er nicht wahrgenommen hatte.
    Einer der Gorillas hatte einen ungesunden Teint. Tiefe Aknenarben überzogen sein Gesicht. Er befahl Mitch aufzustehen, und der erhob sich.
    Der andere Gorilla hob Mitchs Jacke an und zog die Pistole heraus.
    Als man Mitch befahl, sich wieder zu setzen, gehorchte er.
    Endlich sagte er etwas zu Anson, aber nur: »Du tust mir leid.« Das stimmte, doch es war eine erbärmliche Form des Mitleids, ohne jede Zärtlichkeit und leer an Erbarmen, dafür durchdrungen von Ekel.
    Welcher Art dieses Mitleid auch sein mochte, Anson wollte es nicht, das war deutlich. Er hatte zwar gesagt, er sei stolz darauf, dass Mitch sich dem Einfluss seiner Eltern
widersetzt habe, während er selbst sich gebrochen fühle, doch das waren Lügen, das Schmiermittel eines Manipulanten.
    Ansons Stolz war für seine eigene Schläue und Skrupellosigkeit reserviert. Als er seinen Bruder von Mitleid reden hörte, kniff er verächtlich die Augen zusammen, was seinen Gesichtszügen einen leicht brutalen Ausdruck verlieh.
    Der Mann in Seide spürte offenbar, dass Anson beleidigt genug war, um etwas Unbesonnenes zu tun. Er hob die Hand, an der die Rolex glitzerte, und sagte: »Nicht hier.«
    Nach kurzem Zögern steckte Anson seine Pistole in das Schulterholster unter seinem Sportsakko zurück.
    Unwillkürlich kamen Mitch die sieben Worte in den Sinn, die Lieutenant Taggart vor acht Stunden zitiert hatte. Obwohl er nicht wusste, woher sie stammten, und obwohl ihm nicht recht klar war, wieso sie zum gegenwärtigen Augenblick passten, fühlte er sich gezwungen, sie zu wiederholen: »Blut schreit zu mir von der Erde.«
    Einen Moment lang waren Anson und die drei anderen so reglos wie Figuren auf einem Gemälde. Es war ganz still in der Bibliothek. Kein Lufthauch war zu spüren, nur die Nacht kauerte an den verglasten Gartentüren. Dann verließ Anson den Raum, und die beiden Leibwächter traten einige Schritte zurück, wo sie wachsam stehen blieben. Der Mann in Seide hockte sich auf die Lehne des Sessels, auf dem Anson gesessen hatte.
    »Mitch«, sagte er, »Sie haben Ihren Bruder ziemlich enttäuscht. «

26
    Julian Campbell hatte eine goldbraune Gesichtsfarbe, wie man sie nur in einem privaten Solarium erwerben konnte, einen durchtrainierten Körper, der auf einen gut ausgestatteten Fitnessraum und einen persönlichen Trainer hinwies, und ein glattes Gesicht, für das ein Mann in den Fünfzigern ohne Zweifel Stammkunde bei einem plastischen Chirurgen sein musste.
    Die Verletzung, die seine Laufbahn beim FBI beendet hatte, war genauso wenig sichtbar wie das geringste Anzeichen einer Behinderung. Offenbar entsprach der Triumph über seine körperlichen Schäden seinem ökonomischen Erfolg.
    »Mitch, ich bin neugierig.«
    »Inwiefern?«
    Statt zu antworten, sagte Campbell: »Ich bin ein praktischer Mensch. Bei meinen Geschäften tue ich, was ich tun muss, und bekomme keine Bauchschmerzen davon.«
    Mitch deutete diese Bemerkungen so, dass Campbell sich nicht erlaubte, von Schuldgefühlen belästigt zu werden.
    »Ich kenne eine Menge Männer, die tun, was getan werden muss. Praktische Männer.«
    In dreizehneinhalb Stunden riefen die Entführer bei Anson an. Wenn Mitch dann nicht dort war, um mit ihnen zu sprechen, dann brachten sie Holly um.
    »Aber dies ist das erste Mal, dass ich sehe, wie ein Mann seinen eigenen Bruder ans Messer liefert, nur um zu beweisen, dass er der härteste Bursche aller Zeiten ist.«

    »Es geht um Geld«, stellte Mitch richtig.
    Campbell schüttelte den Kopf. »Nein. Anson hätte mich bitten können, diesen Waschlappen eine Lektion zu erteilen. Die sind bei Weitem nicht so taff, wie sie meinen.«
    Unter der dunkelsten Schattierung dieser Nacht lag etwas noch Dunkleres.
    »Innerhalb von zwölf Stunden könnten wir sie so weit haben, dass sie darum betteln, uns etwas zu bezahlen, damit wir Ihre Frau unversehrt zurücknehmen.«
    Mitch wartete. Vorläufig gab es nichts anderes zu tun.
    »Diese Burschen haben Mütter. Einer der alten Damen könnten wir das Haus anzünden und einer anderen das Gesicht so zurichten, dass es ein Jahr dauert, bis man es halbwegs wiederhergestellt hat.«
    Die Stimme Campbells klang so nüchtern, als würde er die

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