Todeszorn: Thriller (German Edition)
besser aussteigen.«
Die Anspannung in seiner Stimme ließ seinen Beifahrer jetzt ebenfalls zu Raines blicken, der die Arme weiter hängen ließ und die Handflächen auf die Rückbank des Wagens gelegt hatte.
»V ielleicht möchte ich aber gar nicht aussteigen?«
Der Blick des Beifahrers schoss zwischen den beiden anderen Männern hin und her.
»A ber gut, dann bis ein andermal«, sagte Raines schließlich und griff nach dem Türöffner. »W ar nett mit euch.«
3
Das Apartment erschien ihm verlassener als je zuvor. In der Küche warf Raines seine Schlüssel auf die Anrichte, nahm eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie und leerte sie in einem Zug zur Hälfte. Dann ging er ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und zappte ziellos durch ungefähr zwanzig Fernsehkanäle, bis er auf eine Berichterstattung über irgendeine neue Militärinitiative in Afghanistan stieß. Er verfolgte die Sendung eine Weile lang, bis die diversen Befehlshaber, die interviewt wurden, zu einer verschwommen Collage verschmolzen.
Die untergehende Sonne tauchte das Wohnzimmer in diffuses Licht, bevor sie es nach und nach der Dunkelheit überließ. Raines stellte den Ton des Fernsehers leise und schloss die Augen. Das flackernde Licht des Bildschirms warf unermüdlich neue Muster auf sein Gesicht.
Die Erschöpfung drang ihm bis in seine Knochen. Er nahm noch einen Schluck Cola, ohne etwas davon zu schmecken. Während der letzten zwei Wochen war ihm aufgefallen, dass er am Essen keine Freude mehr hatte. Es war nur noch Betriebsstoff für seinen Körper. Auch Bier hatte er seit Wochen nicht mehr getrunken; er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, an was er überhaupt je Freude gehabt hatte.
Er ließ den Fernseher laufen und ging ins Schlafzimmer, wo er aus dem obersten Regal seines Kleiderschranks einen Karton holte, den er ins Wohnzimmer trug und dort auf den Tisch stellte. Er nahm den Deckel ab und griff sich dann einen Lappen: Er sah benutzt aus, war voller Flecken und roch nach Metall und Waffenöl.
Er breitete den Lappen auf der Tischplatte aus, legte seine Smith & Wesson darauf und begann methodisch die Pistole zu zerlegen und zu putzen– wie er es bereits Tausende von Malen zuvor gemacht hatte.
Sei gut zu deiner Waffe, dann ist sie auch gut zu dir.
Als er sämtliche Bestandteile gereinigt hatte, setzte er sie wieder zusammen, wobei er darauf achtete, dass alle beweglichen Teile einwandfrei funktionierten. Zur Kontrolle nahm er das Magazin aus dem Griff, ließ es wieder einrasten und schob auch den Schlitten vor und zurück.
Dann nahm er das Magazin erneut heraus und betrachtete die oberste Patrone, die darin zu sehen war. Sie wirkte so harmlos, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Wie konnte etwas so Kleines nur in der Lage sein, so großen Schaden anzurichten?
Das Metall des Magazins fühlte sich kalt an, als er es sich gegen die Stirn presste. Geschmeidig glitt das Magazin zurück in den Griff und rastete mit einem satten Klicken ein. Raines lud die Waffe durch, um Munition in das Patronenlager zu drücken, das sich im Lauf befand.
Jetzt wird abgerockt.
Junge Kerle sagten das immer vor ihrem ersten Einsatz. Als wäre alles nur ein Film oder so etwas. Eben nicht real.
Aber dann reißt dir eine Mine dein Bein ab.
Dein Blut strömt in den Sand.
Hast du jetzt kapiert, dass es Ernst ist?
Und was erwartet einen, wenn man dann zurück nach Hause kommt? Vielen Dank für die Opfer, die du gebracht hast, mein Sohn. Hier sind deine Entlassungspapiere. Aber nun geh und such dir einen richtigen Job, damit du deine Arztrechnungen selbst bezahlen kannst.
Kannst du dir nicht leisten?
Dumm gelaufen.
Nimm’s nicht so schwer, Kamerad. Niemand hat dir was versprochen.
»W as der Mensch sät, das wird er auch ernten«, sagte er laut und hielt sich die Pistole an die Schläfe.
Er schob den Finger in den Abzugsbügel und legte ihn an den Abzug. Spürte, wie er sich bewegte.
Ein klein wenig mehr Druck, und alles wäre vorbei. Kein FBI mehr, das jeden deiner Schritte überwacht. Kein Pakt mehr mit dem Teufel. Nur noch Stille.
Er erhöhte den Druck auf den Abzug, fragte sich, ob er den Knall wohl noch mitbekommen würde, wenn der Schuss sich löste. Würde er sich des Sekundenbruchteils noch bewusst sein, in dem die Kugel durch den Lauf jagte, um gleich darauf seinen Schädelknochen zu zerschmettern und sein Gehirn zu zerfetzen?
Würde er den Schmerz noch spüren?
Die Narbe an seinem Bein begann sich bemerkbar zu
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