Todeszorn: Thriller (German Edition)
Matt Horn.
»B ei dir muss man immer wieder Überzeugungsarbeit leisten. Du wirst langsam alt.«
Horn sah schweigend zu dem Fenster an der Vorderfront des Hauses hinaus. Raines hasste die Schwäche, die er in den Augen seines Freundes erblickte. Er lehnte sich neben das Fenster an die Wand. Die Furchen wollten nicht von seiner Stirn weichen. Auf dem Kaminsims stand das Foto der Charlie Company – an jenem ersten Tag in Afghanistan aufgenommen. Das Foto, das auch in seinem Büro in dem Blockhaus im Wald stand. Er versuchte sich den Mann, der aus Matt Horn geworden war, mit dem Gesicht des jungen Mannes auf dem Foto vorzustellen.
Horn wandte sich vom Fenster ab und folgte Raines’ Blick. Mühselig erhob er sich. Er musste sich mit beiden Armen aufstützen, dann trat er mit steifen Schritten ans Fenster. Raines wusste, dass es dauern würde, bis Horn sich an seine Beinprothesen gewöhnt hatte.
»H ast du von dem jüngsten Fall gehört?«, fragte Horn. »D em Burschen, der im Veterans Park gestorben ist?«
»H abe ich.«
»E r war Soldat. Früher jedenfalls.«
»I ch habe doch gesagt, dass ich davon gehört habe.«
»W as ist mit den anderen? Und was ist mit Stark?«
Raines löste sich von der Wand, ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. »W enn das überhaupt sein Name gewesen ist.«
»G ottverdammt!«, schrie Horn ihn an. »S eit wann fällt dir das alles eigentlich so leicht?«
Als er sich abwandte, sah Raines seine Augen im Licht der Sonne glitzern. Horn wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Raines senkte den Kopf. Er fragte sich, ob es es wohl für alle leichter machen würde, wenn er Horn hier und jetzt umbrächte. Nie hätte er geglaubt, dass er jemals auf so einen Gedanken kommen würde.
»E s ist bald vorbei«, sagte er zu Horn.
»D as bringt auch keinen von ihnen zurück.« Horns Stimme zitterte. »O der?«
»N ein.«
»U nd wie viel mehr werden noch sterben?«
»D as weiß ich nicht.«
»H ast du mir sonst nichts zu sagen?«
Raines richtete den Blick wieder auf das Foto auf dem Kamin und überlegte, was er wohl tun würde, wenn er die Zeit bis zu jenem Tage zurückdrehen könnte. Würde er anders handeln? Etwas anders machen? Würde er sich vielleicht nicht freiwillig für die Fahrt zu dem Mohnblumenfeld melden? Er wusste es nicht. Es war, als ob seine derzeitige Mission fest in seiner Psyche verdrahtet wäre und ihn nichts davon abbringen könnte. In stillen Momenten genoss er es insgeheim.
»I ch habe dieses Land einmal geliebt«, sagte er.
»D as tust du immer noch.«
Er sah Horn an, lächelte und schüttelte den Kopf.
»J etzt möchte ich es brennen sehen«, sagte er. »O bwohl ich das Land tatsächlich noch liebe. Nur eben die Arschlöcher nicht, die es regieren. Die können von mir aus in der Hölle schmoren für das, was sie uns angetan haben.«
Er deutete auf das Bild. »W ir müssen uns um uns selbst kümmern. Das ist es, worum es hier geht.«
»U nd was ist mit den Menschen, denen wir dabei Leid zufügen?«
Nun war es Raines, der aus dem Fenster blickte. »D as habe ich dir bereits erklärt. Ich habe die Nase voll von dieser Diskussion.«
»K annst du mir nicht wenigstens sagen, was das alles für ein Ziel haben soll?«
Raines blieb ihm die Antwort schuldig.
2
Er hielt vor seinem Apartmenthaus und blickte in den Rückspiegel. Er hatte nun einen Schatten. Seine Verfolger saßen in einer unschwer als Dienstwagen des FBI auszumachenden Limousine auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie mussten dort bereits seit heute Morgen auf ihn gewartet haben. Nach dem, was mit Stark passiert war, hatte Raines zwar mit ihrem Auftauchen gerechnet, aber es beeindruckte ihn doch, dass sie ihm so schnell auf die Spur gekommen waren. Immerhin hatte er seine Wohnung unter einem falschen Namen angemietet. Andererseits fühlte er sich irgendwie auch in seiner Ehre gekränkt, weil die Männer sich kaum Mühe gaben, ihn unauffällig zu überwachen– es waren zwei junge Kerle in Anzügen, die an einem ganz normalen Werktag auf offener Straße in einem Ford herumsaßen. Eine solche Unbeholfenheit wäre fast zum Lachen gewesen, wären diese Männer nicht diejenigen gewesen, von denen erwartet wurde, das Land zu beschützen.
Das Land, das einmal sein Land gewesen war.
Raines entschied sich für einen Frontalangriff. Sie hatten sowieso nichts gegen ihn in der Hand. Er langte unter den Sitz, griff sich seine Neun-Millimeter-Smith-&-Wesson, steckte sie in den Hosenbund
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