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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu mailen. Maxine lag zusammengerollt zu seinen Füßen. Sie wusste – Hunde spüren so etwas immer – , dass sie bald im Stich gelassen werden würde, und ließ ihn sich dafür so schuldig wie möglich fühlen, indem sie ihn mit ihren großen braunen Augen ansah. Den ganzen Abend lang ging das schon so.
    Es hatte mit einem melancholischen Schmorbraten mit Gemüse begonnen, und Sheridan hatte gejammert, das Grünzeug sei ja noch roh. Joe hatte ihr Verhalten durchschaut: Sie war in einem Alter, in dem sie ihren Zorn auf den Vater oder die ganze Welt an ihrer Mutter ausließ, die in der Familie dafür sorgte, dass eine gewisse Disziplin eingehalten wurde. Lucy dagegen missbilligte sein Gehen, indem sie so tat, als wäre er nicht da, was Joe noch schlimmer fand.
    Er überflog seine lange E-Mail. Ihm war klar, dass er Dinge vergessen würde, und natürlich konnte er nicht das ganze Hintergrundwissen über bestimmte Jäger liefern, mit denen Phil womöglich Probleme bekommen könnte, oder die Eigenarten aller Grundeigentümer aufzählen. Joe fand es seltsam, nicht zu wissen, ob er je in seinen Bezirk zurückkehren würde.

5. KAPITEL
    Wer von Ost nach West über die Bighorn Mountains reist, kann das auf drei Landstraßen tun: Er kann die Route 16 durch den Ten Sleep Canyon und über Worland nehmen, auf der Route 14 durch den Shell Canyon und über Greybull fahren oder die Route 14-A über die Medicine Wheel Passage und weiter nach Lovell wählen. Joe entschied sich für die Route 14-A, nicht nur, weil er ihre Serpentinen als Herausforderung empfand, sondern auch wegen der Aussicht von der Passhöhe auf das flache, braune, nahezu endlose Becken des Bighorn. Er kaute Kaugummi, um den steigenden Druck in seinen Ohren in der Höhenlage besser ausgleichen zu können. Immer wieder sah er auf den Platz neben sich, auf dem sonst seine Labradorhündin Maxine lag und die er diesmal zu Hause gelassen hatte, um seinen neuen Bezirk zuerst allein in Augenschein zu nehmen. Als er in dreitausend Metern Höhe den Pass erreichte, wehte ihm aus praktisch wolkenlosem, hellblauem Himmel feiner, trockener Schnee entgegen.
    Er hatte äußerst gemischte Gefühle. Die Erinnerung an den Morgen mit der Familie ließ ihn nicht los. Sheridan und Lucy hatten sich für die Schule fertig gemacht und an den Küchentresen gedrängelt, um sich ihr Mittagessen einzupacken. Marybeth hatte sich in khakifarbener Hose und Pullover auf einen Arbeitstag in der Buchhaltung der Apotheke vorbereitet. Sie trug das blonde Haar kürzer als je zuvor. Das war ungewohnt, gefiel ihm aber. Joe hatte dümmlich vor der Tür zur Umkleide herumgestanden und die drei beobachtet. Der Abschied von den Kindern war dann etwas hektisch geraten, weil sie schon den Schulbus die Bighorn Road hatten herunterkommen hören. Nachdem sich die Bustüren hinter den Mädchen geschlossen hatten, war er mit Marybeth zu seinem voll beladenen, abfahrbereiten Pick-up geschlendert.
    »Ruf mich regelmäßig an.«
    »So oft wie möglich«, hatte er gesagt und sie geküsst.
    »Vor allem, wenn du angekommen bist, damit ich weiß, dass du die Fahrt gut überstanden hast.«
    Der Abschied war ganz undramatisch gewesen. Warum aber hatte er das Gefühl, etwas habe sich grundlegend verändert? Weshalb fühlte er sich zugleich schuldig und beschwingt?
    Als er am Westhang des Gebirges wieder talwärts fuhr, verschwand der Schnee so plötzlich, wie er gekommen war, und es wurde rasch wärmer. Unten im Becken flimmerte die Hitze bereits über der alten Asphaltstraße, und im Zentrum von Lovell blühten Rosen in den Blumenkästen.
    Das Funkgerät machte sich geräuschvoll bemerkbar und unterbrach seine Gedanken. Eine Nachricht von Trey. Sie würden den für diesen Morgen geplanten Treffpunkt ändern müssen. Es gab ein Bärenproblem.
    Trey Crump erwartete Joe in seinem Pick-up, den er zwischen den Bäumen am Scheitelpunkt eines Schotterwegs sechs Kilometer vom Dead Indian Pass entfernt geparkt hatte. Kaum hatte Joe neben seinem Wagen gehalten, öffnete sein Vorgesetzter die Tür und stieg bei ihm ein. Er gab dem korpulenten Mann die Hand.
    Sein Quadratschädel, der dichte, ergrauende Schnauzbart und die nach unten hängenden Wangen ließen Trey größer erscheinen als er war. Das Uniformhemd spannte über seinem Bauch. Er war ein Mann weniger Worte und wirkte mitunter abweisend, doch tief liegende, mitfühlende Augen verrieten den Romantiker in ihm. Joe mochte und bewunderte Trey, bekam ihn aber kaum zu Gesicht.

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