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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte, wie sehr ihm die Hände zitterten.
    Er drückte die Flinte an sich und lauschte, ob der Bär womöglich zurückkehrte, während Trey untersuchte, warum die Fallentür nicht funktioniert hatte.
    »Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist«, sagte er schließlich missmutig, rappelte sich auf und griff nach seiner Flinte, die er an die Falle gelehnt hatte, »aber es sieht so aus, als hätte ich den Bären getroffen. Hier ist ein Blutspritzer im Gras.«
    Sie folgten der Spur bis zum Waldrand. Im Gras und auf Laubblättern war immer wieder Blut zu sehen. Joe spürte, wie ihn der Mut verließ.
    »Wir haben es mit einem verwundeten Grizzly zu tun, und etwas Gefährlicheres gibt es nicht«, sagte Trey mit belegter Stimme. »Wir müssen ihn zur Strecke bringen.«
    Er meldete sich über Funk bei der Zentrale und gab ihre Koordinaten durch. »Wir bleiben hier, bis wir das Tier aufgespürt haben. Bitte verständigen Sie meine Frau und Marybeth Pickett in Saddlestring. Ach, und sagen Sie in Jackson Hole Bescheid, dass Joe Pickett seinen neuen Job etwas verspätet antritt.«
    Die darauffolgenden drei Tage fuhren sie mit Treys Pferden im Anhänger über die Schotter- und Nebenstraßen und spürten dem verwundeten Bären nach. Sie entdeckten einen verwesenden Elch, an dem er sich gütlich getan hatte, und ließen sich auch an den Bächen, die er überquert hatte, nicht von seiner Fährte abschütteln. Der Grizzly hatte inzwischen versucht, in eine weitere Hütte einzudringen, wie tiefe Kratzer an Tür und Fensterläden und ein Blutfleck auf der Veranda bewiesen. Joe fand es bemerkenswert und ekelerregend, wie viel Blut er verloren hatte, und rechnete wie Trey ständig damit, auf das tote Tier zu stoßen. Er bewunderte den Grizzly fast so sehr, wie er ihn fürchtete. Gern hätte er ihn entkommen und in Frieden sterben lassen, wenn es die Gewähr gegeben hätte, dass der Bär tatsächlich verendete.
    Die Lage, aber auch das Verhältnis zu Trey wurde immer angespannter. Trey warf sich vor, einen ungezielten Schuss auf das Tier abgegeben und es nur verwundet zu haben, doch Joe spürte, dass der eigentliche Vorwurf ihm galt, weil er nicht geschossen hatte. Auch Joe machte sich Vorwürfe und ging, während sie ritten, die Flucht des Bären immer wieder in Gedanken durch. War er vor Schock erstarrt und hatte deshalb nicht auf den Grizzly gefeuert? Nein, es war nur alles so schnell gegangen, dass er das Tier nicht eindeutig ins Visier bekommen hatte. Oder doch?
    Am zweiten Nachmittag verloren sie das Funksignal und fuhren auf den höchsten mit dem Auto erreichbaren Hügel im Umkreis. Trey meinte, ihnen bliebe jetzt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass der Bär wieder in die Reichweite des Empfängers zurückkehre.
    »Die Chance, ihn wieder aufzustöbern, ist genauso groß, wenn wir einfach abwarten«, sagte er, und seine Stimme klang noch tiefer als sonst. »In Jackson herrscht das blanke Chaos, Joe. Ich möchte, dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen.«
    Joe nickte.
    Trey machte ein gequältes Gesicht. »Ich mache mir langsam Sorgen, dass einige meiner Aufseher die Belastungen nicht verkraften. Ich würde ihnen gern helfen, damit klarzukommen, habe aber keine Ahnung, wie.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Joe, obwohl er die Antwort kannte. Im Vorjahr hatte sich ein Jagdaufseher in den Wind River Mountains auf Patrouille aus unbekanntem Grund mit seinem Sohn gestritten, ihn erschossen und die Waffe dann gegen sich selbst gerichtet. Und ein Kollege in Südwyoming, dem ein riesiges, praktisch menschenleeres Revier zugeteilt war, hatte sich abgesetzt und war nach dreiwöchiger Sauftour in New Mexico aufgegriffen worden, wo er jedem, der es hören wollte, erzählt hatte, die Einheimischen seien hinter ihm her gewesen und er sei um sein Leben gerannt. Eine Untersuchung der Jagd- und Fischereibehörde hatte dafür keinerlei Hinweise erbracht, und er war entlassen worden.
    Anders als andere Ordnungshüter waren Jagdaufseher im wahrsten Sinne des Wortes autonom. Sie verwalteten ihren Bezirk auf ihre eigene Art und Weise. Zwar hatten sie direkten Vorgesetzten wie Trey monatlich einen Bericht zu liefern, da aber diese Vorgesetzten sich um ihr eigenes Revier zu kümmern hatten, mischten sie sich nur selten in die Amtsführung der ihnen unterstellten Aufseher ein. Das war einer der vielen Aspekte seiner Arbeit, die Joe schätzte. Es ging um Vertrauen und Kompetenz, darum, das Richtige zu tun. Doch diese Autonomie entwickelte sich

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