Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Sein Dienstabzeichen hatte die Nummer vier, was ihn als viertältesten Jagdaufseher Wyomings auswies, während Joe erst kürzlich eine neue Plakette bekommen und vom 52. auf den 44. Platz vorgerückt war. Da es nur fünfundfünfzig hauptamtliche Jagdaufseher gab – sowie fünfunddreißig Jagdaufseher zur Ausbildung, die noch keinen Bezirk hatten – , war Joe auf die neue Nummer recht stolz. Jensens Tod bedeutete, dass er sogar schon an 43. Stelle stand. Er verspürte sogleich ein stechendes Schuldgefühl, dies überhaupt nur gedacht zu haben.
    Trey entschuldigte sich dafür, Joe nicht zum Frühstück im Irma Hotel in Cody getroffen zu haben, doch er habe morgens um fünf einen Anruf wegen eines Problemgrizzlys bekommen, der im Sunlight-Becken in Hütten eingedrungen sei. Vermutlich handelte es sich bei dem Missetäter um einen alten Bekannten mit dem Namen »Bär Nummer 304«. In der Morgendämmerung hatte das über zweihundert Kilogramm schwere Tier eine verstärkte Holztür aus den Angeln gebrochen, war in eine Hütte gestürmt und hatte sie auseinandergenommen, Schränke von den Wänden gerissen und den gusseisernen Herd aus der Küche in ein Schlafzimmer gestoßen.
    »Die Situation ist heikel«, sagte Trey mit tiefer, spröde klingender Stimme. »Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«
    Joe sah im dichten Wald unter ihnen einige Hüttendächer und auf der sonnendurchfluteten Lichtung eine Bärenfalle. Sie stand auf Rädern, konnte also wie ein Anhänger mit dem Auto zum Einsatzort geschafft und dort mit einem Köder – meist totgefahrenem Wild – versehen werden. Wenn der Grizzly in das dicke Metallrohr stieg und am Aas zerrte, krachte die schwere Stahltür hinter ihm herunter und sperrte ihn ein. Dann konnte man die Falle mit dem wütenden Bären wieder ans Auto koppeln und an einen entfernten Ort fahren, wo das Tier freigelassen wurde. Oder es wurde sogleich eingeschläfert, falls das behördenübergreifende Grizzly-Team ein Todesurteil verhängt hatte.
    Joe verzog das Gesicht. Er hatte von Bären seit dem Vorjahr genug, als ein Ausreißer aus dem Yellowstone Park schnurstracks in die Bighorns gezogen war und er mit eigenen Augen gesehen hatte, was so ein Tier einem Menschen antun konnte.
    »Im Moment haben wir ständig mit Grizzlys zu tun«, sagte Trey und seufzte schwer. »Allein heute Morgen gab es drei Meldungen. Darum bin ich allein hier oben – meine Bärenjungs gehen den beiden anderen nach. Sie hatten eigentlich hierbleiben und mir mit 304 helfen wollen, weil wir ihn alle irgendwie mögen und ihn nur ungern verlieren würden.«
    Nun erst bemerkte Joe das Gewehr mit Zielfernrohr auf Treys Motorhaube.
    »Sie müssen ihn also töten?«
    »Das haben wir den Bundesbeamten empfohlen«, erwiderte Trey resignierend. »Das ist nun schon das vierte Mal, dass 304 hier Privateigentum beschädigt. Und egal, wie weit wir ihn wegfahren: Stets findet er zurück. Er hat keine Angst mehr vor Menschen.«
    Ein Scanner in Treys Pick-up übertrug den leisen, pulsierenden Ton vom Funkhalsband des Bären. Der Grizzly war noch in der Gegend. Sie würden auf ihn warten.
    Joe musterte die Bergkämme und -hänge, konnte aber keinerlei verdächtige Bewegungen ausmachen.
    »Das Traurige ist, dass 304 sechs, sieben Jahre ohne Vorkommnisse in diesen Bergen gelebt hat«, sagte Trey. »Ein Hüttenbesitzer hat Hundefutter auf der Veranda gelassen. 304 stellte fest, dass er es mochte, und kam wieder. Er fand schnell heraus, dass es in den Hütten alles Mögliche zu fressen gab. Aber alles hat mit dem Hundefutter begonnen, und Sie kennen doch den verdammten Spruch.«
    »Ein gefütterter Bär ist ein toter Bär«, sagte Joe.
    Es wurde Nacht. Die Mondsichel stand knochenbleich am Himmel. Joe und Trey saßen schweigend im Führerhaus des Pick-ups und hörten einander beim Atmen zu.
    »Tut mir leid, dass Ihre Reise so beginnen muss«, sagte Trey. »Ich wette, Sie wären jetzt gern in Jackson.«
    »Kein Problem.«
    »Ich muss Sie was fragen.«
    Joe ächzte.
    »Nach dem Vorfall letztes Jahr – macht es Ihnen da nichts aus, mit mir diesem Bären nachzustellen?«
    Joe wandte sich seinem Vorgesetzten zu und stellte fest, dass der ihn musterte. »Damit hab ich kein Problem.«
    »Sicher nicht? Denn falls es anders sein sollte … «
    »Ich sagte doch, dass ich kein Problem damit habe.«
    Schließlich stieg Trey aus und ging zu seinem eigenen Pick-up, um zu schlafen. Joe prüfte, ob er Handyempfang hatte und Marybeth anrufen und ihr von den

Weitere Kostenlose Bücher