Todsünde (German Edition)
nur ziellos durch die Straßen gelaufen war, um sich abzureagieren. Ihretwegen konnte er sich auch in einer Kneipe volllaufen lassen haben. Aber bitte, bitte, lass ihn nicht zu Robert gegangen sein, flehte sie mit Blick zum Himmel. Bitte lass ihn Robert nichts getan haben.
***
Am nächsten Morgen stand sie bereits geduscht und angezogen mit einem Becher Kaffee in der Küche, als Tommy aus seinem Zimmer kam. Er wirkte verkatert, ein gutes Zeichen, oder?
„Guten Morgen“, sagte Lindsay. Sie mochte ihn nicht direkt ansehen, schämte sie sich doch für ihr Verhalten. Nicht nur dafür, dass sie so ein Dummkopf war, auch dafür, dass sie wieder einmal solch ein zügelloses Fressverhalten gezeigt hatte.
„ Hey“, sagte Tommy. Er holte sich einen Becher aus dem Schrank und griff nach der Kaffeekanne neben ihr auf dem Tresen. Da sah sie es: Tommys Hand sah schlimm aus! Seine Knöchel waren rot und blutig. Als sie ihm nun ins Gesicht sah, entdeckte sie sein blaues Auge.
„Tommy! Was hast du getan?“
Er schüttelte den Kopf, woraufhin er schmerzhafte Geräusche von sich gab und sich an die Schläfen fasste.
„Ach du meine Güte, bist du etwa bei Robert gewesen?“
„Na, was denkst du denn? Dass ich einfach zulasse, dass der dich so behandelt?“
„Oh, Tommy ...“ Sie setzte sich auf den Stuhl am Küchentisch und stellte die Tasse ab.
Tommy setzte sich zu ihr. „Weißt du noch, um was du mich in der Dritten Klasse gebeten hast?“, fragte er.
Sie erinnerte sich gut. Damals hatten ein paar ihrer Mitschüler ihr immer ihr Lunchpaket weggenommen und sie herum geschubst. Sie hatte ihren großen Bruder daraufhin gebeten, sie zu beschützen, es diesen Kerlen zu zeigen. Und das hatte Tommy getan. Der damals bereits Zwölfjährige hatte die beiden Jungs so verprügelt, dass sie Lindsay von da an kein Haar mehr krümmten. Tommy hatte ihr versprochen, sie bis in alle Zeiten zu beschützen.
„ Ich bin aber nicht mehr in der Dritten Klasse, Tommy.“
„Ich weiß. Ich habe dir aber damals versprochen, dich zu beschützen. Immer. Wie kannst du denken, dass ich nichts unternehme, nachdem du mir solche Sachen erzählst? Gib es schon zu, du wolltest, dass ich mich einmische, sonst hättest du nichts gesagt. Das hast du schließlich vor vier Monaten auch nicht getan.“
Er hatte recht. Auch wenn es unbewusst geschehen war. Lindsay hatte Tommy von Roberts Betrügereien erzählt, weil sie wollte, dass Robert bestraft wurde, dass er so litt wie sie selbst.
„ Wie schlimm hast du ihn zugerichtet?“, wollte sie wissen. Sie wusste genau, was Tommy anrichten konnte, wenn er nur wollte. Er arbeitete als Personal Trainer in einem Fitnesscenter und war gut trainiert.
Er sah sie an. „Nicht allzu schlimm. Ich wollte ihm nur eine kleine Lektion erteilen. Beim nächsten Mal allerdings werde ich mich nicht so zurückhalten.“
Lindsay sah ihren Bruder gerührt an. „Ich danke dir.“
Er lächelte. „Gern geschehen. Und jetzt, wo du ´ne Nacht drüber geschlafen hast? Hast du deine Meinung geändert oder willst du immer noch mit ihm zusammenbleiben?“
Sie überlegte. Sie wusste es noch immer nicht. Um Tommys Frage auszuweichen, stellte sie eine Gegenfrage. „Du bist ziemlich spät nach Hause gekommen. Wo warst du so lange?“
„In einer Bar, ein paar Biere trinken. Meine Hand tat höllisch weh.“
Lindsay musste lächeln. Was ihr Bruder alles für sie auf sich nahm. Das hatte er schon immer getan. Er hatte sie auch gerne bei sich wohnen, auch wenn Lindsay sich selbst manchmal als eine Last für ihn sah. Doch er beschwerte sich nie. Vor Kurzem noch hatte Lindsay geglaubt, bald wieder bereit zu sein, zurück zu Robert zu ziehen.
„Zeig mal her“, sagte sie und nahm Tommys Hand in ihre. „Sieht wirklich schlimm aus. Hast du Verbandszeug?“
„Da muss ich mal nachschauen, warte.“
Er stand auf und ging ins Bad, wo er in den Schränken herumwühlte. Er kam gerade mit dem gefundenen Mull, Pflaster und ein paar Salben zurück zu Lindsay in die Küche, als das Telefon klingelte.
„Falls es für mich ist, ich will mit niemandem sprechen“, rief Lindsay noch, doch da war es schon zu spät. Tommy hatte im Wohnzimmer das schnurlose Telefon abgenommen und mit in die Küche gebracht. Nun hielt er es ihr entgegen. „Für dich. Jess.“
„Sag ihr, ich bin nicht da.“ Tommy sah sie fragend an. Jess war seit der Junior High School ihre beste Freundin. „Ach, Mann, gib schon her.“
Sie nahm den Anruf entgegen. „Hey
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