Todtsteltzers Ehre
Geduldsfaden
berüchtigt gewesen sowie die vorbehaltlose Bereitschaft, jeden
umzubringen, der ihm in den Weg geriet. Die Wachleute senkten einer nach dem anderen die Waffen, und Gutmann entschied sich rasch dafür, aus einer üblen Lage das beste zu machen, und gab würdevoll nach.
»Natürlich müßt Ihr Eure Geschichte erzählen. Kapitän Eilend. Ich bin sicher, das ganze Imperium verzehrt sich vor Verlangen nach Euren Worten.«
»Gut«, sagte der Halbe Mann, »denn was ich zu sagen habe,
betrifft das Schicksal jedes einzelnen Lebewesens im Imperium.« Er blickte direkt in die Kamera, kümmerte sich nicht um
die Politiker. »Der Hochstapler hat Euch zum Teil die Wahrheit gesagt. Ich wurde von Fremdwesen entführt und umgeformt, dabei jedoch entzweigeteilt, um zwei unnatürliche Dinge hervorzubringen, die Ihr vor Euch seht. In meinem anderen
Selbst beherrschte das fremde Bewußtsein die Verbindung. Ein
fremder Wille bewegte den Körper, und eine fremde Intelligenz
sprach durch seinen Mund. Er erzählte Euch sorgfältig zurechtgelegte Lügen, um die Wahrheit und die realen Gefahren
zu vertuschen. Die Fremdwesen, denen Ihr bis heute begegnet
seid, sind nichts im Vergleich zum wirklichen Feind, der auf
der Lauer liegt. Etwas lebt in der Dunkelwüste . Etwas Altes
und Mächtiges und schaurig Böses. Diese Wesen nennen sich
die Neugeschaffenen. Und bald schon werden sie aus der Dunkelwüste hervorkommen und alles vernichten, was lebt.«
Wieder trat eine lange Pause ein. Toby räusperte sich. »Was
genau sind … die Neugeschaffenen?«
»Sie sind entsetzlicher, als man sich vorstellen kann. Mächtiger, als Hoffnung und geistige Gesundheit verkraften können.
Fremdartig im Vergleich zu allem, was Ihr als Leben kennt
oder begreift. Sie sind gestorben und aus eigener Kraft ins Leben zurückgekehrt. Jetzt sind sie ewig. Und bald werden sie
über Euch alle herfallen.«
»Aber wenn sie nicht sterben können und der Tod sie nicht
aufzuhalten vermag«, fragte Toby, »wieso belästigen sie sich
dann mit etwas Geringfügigem wie uns?«
»Euer Tod liefert ihren gewaltigen Maschinen Treibstoff. Eure Todesqual, über Jahrhunderte ausgedehnt, treibt ihre Maschinen an. Und Eure schreienden Seelen bieten ihnen Trost.
Diese Wesen bestehen aus dem Stoff der Dunkelheit und ertragen das Licht nicht. Also sind sie bestrebt, es auszulöschen, wo
immer sie es antreffen, um das ganze Universum in endlose
Nacht zu tauchen. Und sie herrschen auf ewig in der Dunkelheit.«
»Wie zum Teufel sollen wir gegen so etwas kämpfen?« wollte Toby wissen.
Der Halbe Mann sah ihn zum ersten Mal an. »Ihr könnt es
nicht.«
Jakob Ohnesorg schaltete den Holoschirm aus. »Das war das
Wesentliche. Danach kam es nur noch zu Auseinandersetzungen und Panik und einem endlosen Lauf im Kreise. Der Halbe
Mann, falls er das wirklich ist, gestattete den Wachleuten
schließlich, ihn zu einer gründlichen Befragung fortzubringen,
bei der es hoffentlich auch darum geht, wo er die ganze Zeit
gesteckt hat. Mein aktueller Stand ist, daß die Abgeordneten
immer noch im Plenum sitzen, nach immer weiteren Expertenmeinungen rufen und sich derbe in die Hosen machen.«
»Falls dieser Halbe Mann nicht das ist, wofür er sich ausgibt«, fragte Ruby langsam, »was zum Teufel ist er dann? Eine
Furie?«
»Gute Frage«, fand Jakob. »Ich denke jedoch, daß selbst die
abtrünnigen KIs von Shub nicht über die nötige Technik verfügen, ein derartiges lebendes Energiefeld zu erzeugen. Das Imperium hatte für Jahrhunderte Zugang zum ursprünglichen
Halben Mann und fand nie heraus, wie er funktionierte.«
»Aber falls er echt ist, dann muß auch seine Botschaft zutreffen.«
»Nicht unbedingt. Die ganzen Jahre der Folter und Gefangenschaft haben ihn womöglich verrückt gemacht. Oder er hat
alle möglichen Gründe, um zu lügen. Er hat kein Wort darüber
verloren, wo er war, wer genau ihn gefangenhielt oder wie er
schließlich entkam. Er hat bereits zugegeben, daß eine fremde
Intelligenz aus dem ursprünglichen Halben Mann gesprochen
hat. Vielleicht haben dessen Schöpfer nur ein neues Spielzeug
geschickt, nachdem das alte kaputt war. Nein, wir haben vieles
nicht erfahren, und solange wir nicht mehr wissen, finde ich
nicht, daß wir der Botschaft oder dem Sendboten übertrieben
viel Glauben schenken sollten.«
»Er hatte recht mit dem Hinweis, daß etwas in der Dunkelwüste lebt. Denkst du nicht, wir sollten …«
»Nein, das denke ich nicht«, entgegnete
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