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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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das Mädchen voran, das wie erstarrt schien. Zögernd taumelte Corin in die Dunkelheit hinein.
    „Inani, Tochter der Shora, dein Weg führt durch das Tor zur Linken. Bringe zurück, was du für würdig erachtest, der Schwesternschaft vorzuweisen!“
    Ein Flimmern und nebliges Schaudern durchfuhr die fest gemauerten Steine der Wand. Beinahe glaubte Inani, das Stöhnen der Mauer zu hören, als Kytharas Magie sie zerriss, um eine weitere Pforte zu erschaffen.
    Dankbar, Aufmerksamkeit der Hexen zu entkommen, schritt sie durch das Tor hindurch in die absolute Finsternis. Was würde sie dort vorfinden?
    Inani Herz schlug wie Trommeln. Erinnerungen überfluteten sie, an das letzte Frühlingsfest im Dorf, als sie am Feuer tanzen durfte – Karim hatte die Trommeln geschlagen und sie beobachtet, die halbe Nacht lang.
    Wenn ich versage, werde ich Karim wiedersehen. Vielleicht fragt er in einigen Jahren, ob ich ihn heirate? Vielleicht wünsche ich es mir dann?
    Sie tastete über raues Gestein, folgte dem engen, gewundenen Tunnel, den Kytharas Magie erschaffen hatte.
    Wie mächtig sie ist! Ob ich auch so mächtig werden kann?
    Endlich entdeckte sie ein mattes Leuchten vor sich, schritt eilig darauf zu und fand sich an einer Feuerstelle mitten in einer Höhle wieder. Daneben lagen zwei regungslose pelzige Körper. Inani kniete nieder und begriff nun, was von ihr erwartet wurde. Einige Herzschläge lang starrte sie blicklos in die Flammen – diese Aufgabe war leicht, widersinnig einfach. Und doch, sie war so schwer ...
    Zwei Kaninchen lagen dort vor ihr. Inanis kundige Hände erspürten sofort, dass beide ihre Hilfe brauchten. Das eine Tier, ein graufelliges junges Männchen, war verletzt, aber es würde überleben, egal, ob man ihm half oder nicht. Das andere, ein grau-weiß geschecktes, schon älteres Weibchen, lag im Sterben – die Bauchdecke war aufgerissen, Blut tränkte das Fell. Beide Tiere zitterten vor Schmerzen, versuchten vor Inani zu fliehen, waren aber, außer einem Zucken der Hinterläufe, zu keiner Bewegung fähig.
    Ein Korb stand neben dem Feuer bereit, in ihm lagen saubere Tücher, Heilkräuter und eine Phiole mit einer durchsichtigen Flüssigkeit.
    Daucorvel , dachte Inani. Sie musste das Siegel der Phiole nicht zerbrechen, um sich Gewissheit zu verschaffen. Sie wusste um dieses mächtige Gift, die Essenz jener Blume, die neunundneunzig Jahre lang schlief, um dann in einer einzigen Nacht – der Karr – zu erblühen und sofort zu sterben. Deshalb also hatte Shora ihr in den letzten Wochen immer wieder davon erzählt! Wer Daucorvel trank, und sei es bloß ein einziger Tropfen, fiel sofort in tiefen Schlaf, aus dem es kein Erwachen mehr gab. Ein gnadenvoller Tod, so hatte ihre Mutter es genannt.
    „ Inani!“ Das Mädchen blickte hoch, als sie Kythara hörte, doch sie war weiterhin allein, lediglich die Stimme der Königin hallte in ihrem Kopf wider.
    „Wähle! Du kannst deine Entscheidung nicht rückgängig machen, und egal, was du aus dem Korb nimmst, alles andere ist danach verloren und kann nicht mehr zurückgeholt werden. Du kannst nur eine Tat begehen. Wähle klug!“
    „Ich wusste auch so, dass ich nicht beide Kaninchen bringen soll!“, flüsterte Inani, aber sie erhielt keine Antwort mehr. Ein wenig ratlos streichelte sie beide Tiere und versuchte, ihrer widerstreitenden Gefühle Herr zu werden.
    „Man will, dass ich dich von deinem Leid erlöse. Du stirbst, und nichts kann dich mehr retten, außer starke Magie, die ich nicht besitze.“ Sie spürte den rasenden Herzschlag des Kaninchens, das durch seine breite Bauchwunde bereits so viel Blut verloren hatte, dass nur eine ausgebildete Hexe noch hätte Heilung schenken können. „Du hingegen, du leidest an Schmerzen, doch du brauchst meine Hilfe nicht. Es wäre Verschwendung, dich zu heilen und deine Gefährtin dafür elendig umkommen zu lassen. Warum soll nicht beides
    gehen?“ Ihre Finger strichen über den Nacken des Weibchens. Es wäre so leicht, den Halswirbel zu brechen, viel leichter als dem matten Tier Gift einzuflößen!
    Wieder zuckten die Hinterläufe des todeswunden Weibchens, und bevor Inani weiter überlegen konnte, hatte sie es gepackt und sein Genick gebrochen. „Du bist erlöst“, wisperte sie zärtlich, drückte es kurz an sich, erfüllt von einem Gefühl zwischen Bedauern und zufriedener Gewissheit, das Richtige getan zu
    haben. Dann griff sie in den Korb, nahm die Heilkräuter und die Verbandstücher in die Hand. Erneut

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