Töchter der Sechs (German Edition)
Weg zurück in ihre Heimatstadt, wohin auch immer sie gebracht worden. Dieses schnelle und zuverlässige Kommunikationssystem war von unschätzbarem Wert für die Verwaltung Cytrias und die Regierung förderte den Ausbau des Netzes. Roteha jedoch verfügte über keine eigenen Botenvögel. Die Gelehrten lehnten es ab, weil sie nicht permanent von irgendwelchen Anfragen belästigt werden wollten. Außerdem war bisher keiner von ihnen willens gewesen, sich um Training und Pflege der Vögel zu kümmern. Daher musste jede Anfrage persönlich überbracht werden, was auch in diesem Fall wertvolle Zeit gekostet hatte.
Nun aber war der Gelehrte eingetroffen und Yerina war zuversichtlich, dass er helfen konnte. Schon einmal hatte sich Ruwen als hilfreich erwiesen, damals, als sie und ihre Gefährten nach dem Schnittpunkt der Linien der Macht gesucht hatten. Ohne Ruwens Wissen wäre ihnen die Rettung Cytrias nicht gelungen. Auch Ruwens Schüler gab Anlass zur Hoffnung. Von Peria wusste Yerina, wie intelligent Madia beziehungsweise Mawen war. Sie musste sich bloß in Acht nehmen, dass sie Mawens Geheimnis nicht auffliegen ließ. Sie betrachtete Ruwens Schüler, der neben seinem Meister am reich gedeckten Tisch Platz genommen hatte. Seine Täuschung war wirklich perfekt. Hätte Yerina es nicht besser gewusst, sie hätte die Tochter ihrer Freunde mit dem kurz geschorenen blonden Haar, dem schlaksigen Körperbau und dem schmalen Gesicht wirklich für einen jungen Mann gehalten. Anders hätte er wohl die Gelehrten auch keine sieben Jahre täuschen können.
Nachdem sich ihre Besucher von Roteha bei Speis und Trank gestärkt hatten, kam das Gespräch von unverbindlichen Höflichkeiten schnell zum Grund ihrer Anwesenheit.
Yerina berichtete, unter welchen Umständen es zu der Veränderung am Heiligen Würfel gekommen war und was sie bis jetzt für Erkenntnisse gewonnen hatte. Leider war dies nicht besonders viel. Obgleich Zada sich bemüht hatte, konnte sie nichts über die fremde Sprache sagen. Zwar gab sie noch immer Brocken jener Sprache von sich, wann immer sie den Heiligen Würfel berührte, deren Sinn jedoch blieb ihr verborgen.
Andere Priesterinnen und auch Besucher des Tempels hatten zwar viele Vermutungen geäußert, doch wirkliche Ergebnisse hatte man in den letzten Monden keine erzielt.
Die kurze Begutachtung des Würfels hatte Ruwen und Mawen ausgereicht, um Yerinas Vermutung, dass es sich bei den Zeichen um eine Schrift handelte, zu bestätigen. Sie versprachen, nichts unversucht zu lassen, die Struktur und den Sinn jener Schrift zu ergründen. Yerina sicherte ihnen alle benötigten Mittel zu, bat sie aber, die genauere Untersuchung des Heiligen Würfels nur unter Aufsicht einer Priesterin durchzuführen. Auch wäre es notwendig, diese zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang durchzuführen, um den normalen Betrieb im Tempel nicht zu stören. Es kursierten schon genug Gerüchte darüber, was die Veränderung des Heiligen Würfels zu bedeuten hatte, weshalb eine allzu öffentliche Untersuchung zu vermeiden sei. Ruwen und sein Schüler zeigten sich zufrieden mit dieser Vereinbarung und wollten sich noch am selben Abend an die Arbeit machen.
Jahr 3619 Mond 4 Tag 2
Aaran
Über ihre Forschungen war inzwischen ein Mond vergangen. Sie hatten sechs Nächte benötigt, die Zeichen vom Würfel akkurat auf Pergament zu übertragen. Dann hatten sie begonnen, die vermeintliche Schrift zu untersuchen. Schnell hatten sie ein Zeichen gefunden, das sich häufiger wiederholte als die anderen. Der schräge Strich stellte möglicherweise eine Worttrennung dar. Ferner fanden sie noch vierzig andere Zeichen. Fünf davon stuften sie als Satzschlusszeichen oder Trennungszeichen ein. Es blieben also noch fünfunddreißig, die für bestimmte Laute standen. Allerdings hatten sie keine Anhaltspunkte dafür, für welche, da sie überhaupt nichts über die fremde Sprache wussten. Seit sechs Tagen hatten sie keine Fortschritte mehr gemacht.
Mawens Laune verschlechterte sich allmählich. Sie hatten so hart gearbeitet und doch war eine Lösung des Rätsels noch unerreichbar weit entfernt. Auch fühlte er sich in dem Gästehaus der Regierung irgendwie eingesperrt, obgleich ihre Räume über eine komfortable Ausstattung verfügten. Außer seinen täglichen kurzen Spaziergängen in den ehemaligen Palastgärten und den anfänglich täglichen Besuchen im Tempel hatte Mawen das Gästehaus nicht verlassen. Von früh bis spät hatte
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