Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Sechs (German Edition)

Töchter der Sechs (German Edition)

Titel: Töchter der Sechs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
Vom Netzwerk:
Nacht so schnell verbreitet hatten, wie das gewöhnlich der Fall war, würde es einen großen Ansturm geben. Yerina hielt es für besser, heute vier statt der üblichen zwei Priesterinnen mit der Betreuung der Gläubigen zu betrauen. Allerdings würde sie ihnen einschärfen, keinerlei Vermutungen über das Erscheinen der Zeichen zu äußern und lediglich zu sagen, es sei das Wirken der Götter. Sie verließ den Tempel eilig, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen.
     
    Jahr 3619 Mond 1 Tag 1
    Jal
    „Darija, wie Ihr wisst, beginnt heute Euer letztes Ausbildungsjahr. Bis jetzt habt Ihr all meine Erwartungen übertroffen, daher habe ich mir als Abschluss etwas Besonderes ausgedacht. Ich möchte, dass Ihr Euer eigenes Schiff baut.“ 
    „Aber wir haben doch schon viele Schiffe gebaut.“ 
    Dies entsprach der Wahrheit. Vom einfachen Fischerboot bis zum Handelsschiff hatte sie schon jeden geläufigen Schiffstyp gebaut. Natürlich nicht allein, ihr Meister hatte mehrere Angestellte und bei größeren Projekten arbeiteten sie mit anderen Schiffbauern zusammen. 
    „Da habt Ihr Recht, aber immer nach althergebrachten Plänen. Oft habt Ihr mich gefragt, warum bestimmte Dinge so und nicht anders gebaut werden. Bei Eurem eigenen Schiff könnt Ihr all dies ausprobieren. Ich denke, dass viele Eurer Ideen funktionieren könnten und ein von Euch konstruiertes Schiff könnte etwas völlig Neues sein.“ 
    „Und was ist, wenn es nicht funktioniert?“ 
    „Habt Vertrauen in Euch. Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, von Euch zu lernen.“ 
    „Wie Ihr meint, Meister Brimp.“ 
    Obgleich sie noch immer zweifelte, ob dieser Versuch glücken konnte, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich dem Wunsch ihres Meisters zu beugen. Die letzten fünf Jahre war sie sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung gewesen. Beinahe jeden Tag hatte sie etwas Neues gelernt. Es machte ihr Freude, zu sehen, wie Holz unter ihren Händen zu einem Teil eines Schiffes wurde. 
    Anfangs hatten viele der Schiffbauer gezweifelt, ob ein Mädchen der schweren Arbeit gewachsen war, doch sie hatte alle eines Besseren belehrt. Sie trug schwere Balken wie jeder Mann und ihre Geschicklichkeit übertraf inzwischen sogar die ihres Meisters. Die von ihr gefertigten Teile waren von überragender Passgenauigkeit. Sie hatte wohl wirklich die handwerklichen Fähigkeiten ihrer Mutter geerbt.
     
    Jahr 3619 Mond 1 Tag 20
    Roteha
    Mawen unterbrach seinen allmorgendlichen Spaziergang auf einer kleinen grasbewachsenen Anhöhe, um eine Weile aufs Meer zu schauen. Seit er auf Roteha weilte, hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, seine freie Zeit draußen zu verbringen. Schließlich war er in der Natur aufgewachsen und ertrug es nicht, sich die ganze Zeit in geschlossenen Räumen aufzuhalten. Wann immer es das Wetter erlaubte, stand auch das Fenster seines Studierzimmers weit offen. Von den anderen Gelehrten erntete er für dieses Verhalten meist Kopfschütteln. Viele von ihnen waren schon eine lange Zeit auf Roteha und kannten kaum mehr etwas anderes als Bücher, Schriftrollen und gelehrte Diskussionen. Nur wenige verließen die Insel regelmäßig, um neue Schüler zu finden oder durch das Land zu reisen, um neues Wissen zu erwerben. Die meisten begnügten sich mit dem über Jahrhunderte auf der Insel zusammengetragenen Wissen, dessen Menge insbesondere für Neulinge auch unendlich zu sein schien. 
    Obgleich es für Mawen, der erst seit sieben Jahren auf Roteha weilte, hier noch viel zu entdecken und erlernen gab, teilte er die Einstellung seines Lehrers Ruwen, dass regelmäßiger Kontakt zum Rest von Cytria absolut notwendig für die wissenschaftliche Arbeit war. Schon drei Mal war Ruwen in seiner Zeit als Mawens Lehrer für mehrere Monde auf Reisen gewesen. Bis jetzt hatte Mawen ihn jedoch nie begleiten dürfen. Schüler blieben in der Regel auf Roteha. Dies hieß, dass Mawen wohl noch fünf Jahre hier eingesperrt sein würde, denn anders als bei anderen Berufen betrug die Lehrzeit für Gelehrte zwölf statt der üblichen sechs Jahre. Aber dennoch hatte Mawen von Ruwens Reisen profitiert, denn stets war er mit spannenden Geschichten und neuem Wissen zurückgekehrt. Überhaupt war Mawen sehr glücklich, dass Ruwen ihn als Schüler angenommen hatte, da er ihm weitgehend freie Auswahl zwischen all dem Wissen ließ. Wohin auch immer sein Interesse ihn geleitet hatte, Ruwen hatte all seine Fragen zu beantworten versucht. Sicher hatte er darauf bestanden, dass Mawen auch

Weitere Kostenlose Bücher