Töchter der Sechs (German Edition)
bereits aus vorangegangenen Unterhaltungen mit ihr oder aus Gesprächen mit seiner Tochter. Auch hatte er sich schon in seiner Funktion als Vorsitzender des Regierungsrats mit den Zeichen auf dem Heiligen Würfel beschäftigen müssen. Obgleich die Sache als Angelegenheit des Tempels eingestuft worden war, so hatte sie doch für einige Aufregung in der Bevölkerung gesorgt. Daher musste sich der Regierungsrat eine Meinung dazu bilden und eine Erklärung abgeben. Nach inzwischen mehr als vier Monden war das Interesse der Bevölkerung zwar abgeflaut, aber dennoch hatte er die Geschehnisse weiter im Auge behalten.
Als Yerina geendet hatte, hatten sich ihre Züge bereits etwas entspannt, wahrscheinlich hatte sie einfach jemanden gebraucht, mit dem sie reden konnte. Tharet wusste, dass sie sich im Tempel niemandem anvertrauen konnte und wollte, die anderen Priesterinnen erwarteten von ihr Führung und Leitung, für ihre Ängste und Bedenken war dort kein Platz.
Er fragte sie: „Was willst du nun weiter unternehmen?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe die Götter um Antworten gebeten. Die Zeichen sind sicher nicht ohne Grund erschienen, die Götter wollen uns etwas mitteilen. Aber ich fürchte, wir sind nicht in der Lage, sie zu verstehen. Selbst nun, da die Zeichen in Lautsprache umgewandelt sind, haben wir noch immer niemanden, der sie versteht. Mawen ist klug, aber ohne einen Anhaltspunkt wird auch er den Sinn nicht entziffern können. Zada ist offensichtlich die Einzige, die die Sprache spricht, aber sie kennt den Sinn nicht. Ich möchte in dieser Hinsicht auch nicht weiter in sie dringen, ich habe gesehen, wie erschöpft sie war, nachdem sie den Gelehrten mit dem Klang der Zeichen geholfen hatte. Wo immer sie die Erinnerung an diese fremde Sprache hernimmt, der Zugriff scheint enorm anstrengend zu sein. Ich wage nicht, sie um etwas zu bitten, was ihr schaden könnte. Andererseits habe ich Angst, dass meine Vorsicht und Zurückhaltung ein Fehler ist.“
„Deine Rücksichtnahme ehrt dich, aber auch ich denke, dass sie uns von einer Lösung fernhält. Wenn du möchtest, werde ich Zada bitten, weiter in ihren Erinnerungen zu forschen. Vielleicht kann ich ihr sogar dabei helfen. Durch ihre Ausbildung ist sie in Meditation geübt, aber ich kann ihr noch eine Technik zeigen, die ich in meiner Heilerausbildung gelernt habe. Sie hilft, sich während der Meditation an lange zurückliegende oder scheinbar vergessene Dinge zu erinnern.“
„Gut, dann werde ich Zada bitten, morgen Nacht die Arbeit der Gelehrten zu überprüfen. Sobald sie sich erholt hat, kannst du sie in dieser Technik unterweisen. Wenn du mit ihr sprichst, sag ihr bitte, dass sie unsere Bitten jederzeit ausschlagen kann, wenn es ihr zu viel wird.“
Tharet nickte. Wie er seine Tochter kannte, würde sie alles tun, um dem Tempel zu dienen.
Sichtlich erleichtert machte sich Yerina auf den Rückweg in den Tempelbezirk.
Jahr 3619 Mond 4 Tag 8
Aaran
Mawen war gespannt, ob seine Arbeit sich als korrekt erweisen würde. Er hatte einige Worte ausgewählt, die er mit der Hilfe der jungen Priesterin überprüfen wollte. Voller Ungeduld machte er sich am Abend in Begleitung seines Lehrers auf den Weg in den Tempel. Die Oberpriesterin und Zada erwarteten die beiden bereits. Sogleich begannen sie mit der Arbeit. Bei allen kontrollierten Worten entsprach die von Zada genannte Aussprache der von Mawen ermittelten. Eigentlich hätte Mawen zufrieden sein können, zumal sein Lehrer ihn für seine gute Arbeit lobte. Sie konnten die Sprache nun zwar lesen, doch sie vermochten sie nicht zu verstehen. Er hatte im Bezug darauf bereits vergebliche Gespräche mit seinem Lehrer geführt. Nun waren sie wieder an einem Punkt angelangt, an dem sie nicht weiterkamen. Während seiner Arbeit an der Lautschrift hatte er bereits vergeblich nach Worten gesucht, deren Klang ähnlich Worten in Zyn oder Cytrian war.
Als Yerina sie gebeten hatte, erneut die Gelehrten zu unterstützen, hatte Zada keinen Moment gezögert, ihre Zustimmung zu erteilen. Obgleich sie sich kaum von der letzten Hilfestellung vier Nächte zuvor erholt hatte, stand für sie außer Zweifel, dass die Sache wichtiger war als ein bisschen Unwohlsein ihrerseits.
Wie erwartet war es auch diesmal anstrengend gewesen, doch noch mehr belastetet sie die Tatsache, dass sie nicht mehr tun konnte. Sie wusste, nur sie konnte einen Hinweis auf die Bedeutung der Worte liefern. Doch so sehr sie sich auch
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