Töchter der Sechs (German Edition)
Lachen und lebhaften Reiseberichten angefüllt. Die drei Reisenden waren froh, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben und eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, die nicht aus den Früchten des Waldes bestand. Zumindest für diesen Abend verdrängten alle den bald bevorstehenden erneuten Abschied.
Doch schon am nächsten Morgen begannen sie eifrigst mit den Vorbereitungen. Darija kümmerte sich mit Adens Unterstützung darum, das Schiff auf etwaige Schäden zu untersuchen. Derweilen schrieb Zada Briefe an Yerina und ihre Eltern, um sie vom bisherigen Verlauf der Reise zu unterrichten. Mawen aber begann, die Karten zu kopieren. Einen Satz würden sie mit auf Reisen nehmen, einen sollte die Oberpriesterin Yerina erhalten und einen wollte er an die Gelehrten der Insel Roteha senden. So war sichergestellt, dass das Wissen der Karten nicht verloren ginge, selbst wenn sie ihnen auf der Reise abhandenkämen. Nur die Götter wussten, ob die Veränderung des schwarzen Würfels von Dauer wäre.
Als sich am Abend alle um den hölzernen Esstisch versammelten, tischte Carlynn ein wahres Festmahl auf. Sie wusste um die einseitige und karge Kost, die die drei Reisenden die letzten zwei Monde zu sich genommen hatten, und wollte sie verwöhnen, solange sie in Jal weilten. Der Gedanke an den baldigen Aufbruch schmerzte sie sehr. Ihre Tochter in den Uralt-Wald ziehen zu lassen, war ihr schon alles andere als leicht gefallen. Dabei war es eine vergleichsweise kurze Reise gewesen, noch dazu in bekanntes Gebiet. Der neuerliche Aufbruch aber würde einer ins Ungewisse sein. Warum ausgerechnet ihre Tochter, hatten sie und ihr Mann nicht genug für die Götter geleistet? Sie dachte an Tharet, der ebenfalls eine Tochter hatte ziehen lassen müssen. Sie zwang sich, die düsteren Gedanken beiseitezuschieben und sich auf das Tischgespräch zu konzentrieren. Sie wollte die Zeit, die ihr mit ihrer Tochter blieb, so gut wie möglich nutzen. Auch wollte sie auf keinen Fall, dass man ihr ihre Sorgen anmerkte. Die jungen Leute waren ob ihrer Aufgabe verunsichert genug. Besonders bei Zada hatte sie einen besorgten Gesichtsausdruck bemerkt. Was die junge Priesterin auch immer belastete, Carlynn nahm sich vor, bei Gelegenheit ein Gespräch mit ihr zu führen, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war. Auch wenn die drei von den Göttern auserwählt waren, durfte man nie vergessen, wie jung sie noch waren, fast noch Kinder. Spontan stand sie auf und umarmte nacheinander Mawen, Zada und Darija. Als sie ihre Tochter in den Armen hielt, liefen ihr Tränen über die Wangen.
Darija war überrascht vom emotionalen Ausbruch ihrer Mutter. Bisher hatte sie sich kaum Gedanken darüber gemacht, wie sie sich bei der ganzen Sache fühlte. Ob der ganzen Aufregung um die Mission hatte sie kaum an ihre Eltern gedacht. Wie egoistisch sie doch gewesen war. All ihre Überlegungen hatten sich stets darum gedreht, was der göttliche Auftrag für sie bedeutete. Sie erwiderte die Umarmung ihrer Mutter und wartete, bis diese sich beruhigt hatte und sich von ihr löste. Danach setzten sie die Abendmahlzeit fort und versuchten, ein unbefangenes Gespräch zu führen.
Jahr 3619 Mond 8 Tag 8
Jal
Heute würden sie mit der Beladung des Schiffes beginnen. In drei Tagen würden sie aufbrechen. Nach endlosen Diskussionen hatten sie sich darauf geeinigt, dass zehn Tage als Sicherheit genügen mussten. Es würde ohnehin schwierig, ausreichend Proviant auf dem kleinen Schiff unterzubringen. Die letzten Tage hatte ein jeder der Drei auf seine Weise verbracht. Während Mawen die meiste Zeit mit dem Studium der Karten und der Vervollkommnung seiner Sprachkenntnisse verbracht hatte, hatte Darija so viel Zeit wie möglich mit ihrer Familie verlebt.
Zada aber hatte jeden Tag den Tempel aufgesucht und auch sonst viel Zeit mit Beten und Meditation verbracht. Doch noch immer erhielt sie keine Antwort von den Göttern. Je näher der Tag der Abreise rückte, umso schwerer fiel es ihr, ihre Unsicherheit zu verbergen. Was war, wenn sie die Götter irgendwie erzürnt hatte? Bisher war ihr Leben stets vorgezeichnet und klar gewesen, das Leben bei ihrer Familie und später dann das Leben im Tempel. Die Regeln und Rituale des Priesterinnenlebens hatten ihr immer Halt und Sicherheit gegeben. Umso beängstigender war die ganze Reise für sie. Vom Zwiegespräch mit den Göttern hatte sie sich die Ruhe und Zuversicht erhofft, die ihr so schmerzlich fehlte. Anfangs hatte ihr das Beten und
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