Töchter der Sechs (German Edition)
kränken. Auch rechnete sie es im hoch an, dass er sich nie über ihre noch immer kümmerlichen Kenntnisse des Helwarischen lustig machte.
Jahr 3619 Mond 9 Tag 2
Meer
Der achte Mond war zu Ende gegangen und der neunte angebrochen, ohne dass sich irgendetwas Bemerkenswertes ereignet hätte. Das Wetter war schön und stabil, selbst die sonst um diese Jahreszeit übliche Abkühlung blieb aus. Hätte Mawen nicht so penible Aufzeichnungen gemacht, sie hätten kaum einschätzen können, wie viel Zeit seit ihrem Aufbruch verstrichen war. Ein Tag glich dem anderen: Darija erhielt Unterricht in Helwarisch, Mawen und sie übten das Segeln. Zada beherrschte es inzwischen so gut, dass ihr Darija bisweilen auch tagsüber das Ruder für längere Zeit überließ. Je mehr Fortschritte sie dabei machte, desto mehr nahm ihre Skepsis dem Meer gegenüber ab. Nur die endlose Weite des Ozeans war ihr noch immer unheimlich, seit zwanzig Tagen hatten sie nun schon kein Land mehr gesehen. Und dabei hatten sie noch nicht einmal die Hälfte der Reise hinter sich gebracht. Wenn Mawen und Darija die Karten richtig interpretiert hatten, sollten sie den Bereich des Welten-Nebels in acht bis zehn Tagen erreicht haben. „Was meint ihr, wie wird der Welten-Nebel wohl aussehen?“, fragte sie Mawen, der neben ihr an die Reling gelehnt dasaß.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es wirklich ein Nebel, vielleicht aber auch nur eine unsichtbare Barriere. Ich denke, wir werden es in wenigen Tagen wissen. Ich hoffe nur, dass die Barriere dann schon durchlässig ist und wir nicht tagelang sinnlos auf dem Meer kreuzen müssen. Wie sieht es eigentlich mit unseren Wasservorräten aus? Sind wir sparsam genug?“
„Ich glaube schon, das erste der vier Fässer ist noch nicht ganz leer und länger als zwei Monde sollten wir wohl nicht mehr unterwegs sein.“
„Das ist gut. Ich hoffe bloß, die Fässer waren sauber. Ich habe schon schlimme Sachen gehört von Matrosen, die verseuchtes Wasser getrunken haben.“
Zada erwiderte: „Ich glaube nicht, dass wir uns da Sorgen machen sollten. Aden hat sich persönlich darum gekümmert, dass die Fässer einwandfrei und gut verschlossen sind. Aber nochmals zurück zum Welten-Nebel. Ich weiß ja, dass auch ihr nicht mehr wisst als ich, aber ...“
„Aber Ihr wollt es dennoch gerne noch mal durchsprechen. Also gut, lasst mich zusammenfassen, was wir wissen: Der Nebel ist göttlichen Ursprungs. Er wurde geschaffen, damit die verfeindeten Völker den Weg zueinander nicht mehr finden. Laut der Karten liegt der Nebel auf halber Strecke zwischen Cytria und Helwa. Laut dem Text auf dem Heiligen Würfel, können nur die drei Erwählten den Schleier zwischen den Welten durchqueren. Und auf dem Würfel im Uralt-Wald stand, dass der Nebel nur zur Ebbe der Macht durchlässig ist.“
„Viele klare Anweisungen sind das nicht. Wir haben eigentlich nur geraten. Wir hoffen, dass die Distanzen auf den Karten stimmen. Wir haben den Worten der Oberpriesterin Yerina vertraut, als sie uns sagte, wir seien die drei Erwählten. Und den Zeitpunkt der Ebbe der Macht, nun, es ist eine begründete Annahme, mehr nicht. Dennoch scheint weder Ihr noch Darija unsere Reise je infrage zu stellen. Was macht euch so sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?“ Diese Frage hatte Zada schon lange beschäftigt, doch bisher hatte sie nie gewagt, sie zu stellen. Zu groß war ihre Angst, sie könnte die anderen beiden damit verunsichern. Nach dem Gespräch mit Carlynn hatte sie sich außerdem auch eine Weile lang besser gefühlt, doch die Eintönigkeit der Seereise hatte ihr zu viel Zeit zum Nachdenken gelassen und die alten Zweifel waren wieder aufgeflammt. Deshalb war sie nun Carlynns Rat gefolgt und hatte entschieden, ihre Bedenken und Sorgen mit Mawen zu teilen.
Mawens Antwort auf ihre Frage ließ auf sich warten, wahrscheinlich musste er selbst erst darüber nachdenken. Schließlich räusperte sich der Gelehrte, blickte ihr in die Augen und sagte: „Ihr gebt mir die Sicherheit, Ihr und Darija. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht zueinandergefunden hätten, wenn uns nicht Großes bestimmt wäre. Sicher gibt es Vieles, was wissenschaftlich gesehen auf einem schwachen Fundament steht. Doch es fügt sich einfach alles zu gut zusammen, um eine Reihe bloßer Zufälle zu sein. Was lässt Euch auf einmal zweifeln? Habt Ihr nicht hundertfach Zwiesprache mit den Göttern gehalten und Euch so immer wieder versichert, dass
Weitere Kostenlose Bücher