Töchter der Sechs (German Edition)
ein Lächeln auf sein Gesicht. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, dass sie das Tor in die andere Richtung durchquert hatten, dabei war seitdem weniger als ein Mond verstrichen. Endlich würde er Helwa entdecken können und dabei hoffentlich mehr finden als Elend und Armut. Die reiche Vegetation des Palastgartens hatte ihm einen Vorgeschmack auf die Reichtümer Helwas gegeben. Da sie es nicht tragen mussten, hatte er einen riesigen Vorrat Schreibmaterial eingepackt und er gedachte, jede einzelne Seite Pergament zu füllen. Nach seinem Werk der helwarischen Sprache wäre dies seine zweite Abhandlung. Sicher würde er zu Hause dafür viel Anerkennung ernten. Beim Gedanken an Cytria versetzte es seinem Herzen einen Stich. Wer wusste schon, ob er seine Heimat jemals wiedersehen würde. Kurz dachte er an seine Mutter und seinen Vater. Er hatte keine Gelegenheit gehabt, sich richtig von ihnen zu verabschieden. Es war schon Jahre her, dass er sie gesehen hatte. Elec unterbrach seine Gedanken mit einer Frage, und er wiederholte sie, als er Mawens fragenden Gesichtsausdruck sah: „Meint Ihr, es ist möglich, mir Eure Sprache beizubringen?“
„Sicher, wenn Ihr sie lernen wollt. Ich kann sie Euch während der Reise beibringen und noch vor Ablauf von sechs Monden werden Ihr sie sicher besser sprechen als ich die Eure.“
„Seid nicht so bescheiden. Euer Helwarisch ist sehr gut und es wird jeden Tag besser. Man hört kaum noch einen Akzent.“
„Nun, Zada war eine gute Lehrerin.“
„Es ist erstaunlich, wie sie als Kind unbeschadet von Helwa nach Cytria reisen und die Barriere zwischen den Welten durchqueren konnte. Mein Vater ist ein Narr, wenn er glaubt, dort sei keine göttliche Kraft am Werk gewesen.“
„Wie kommt es, dass Euer Volk nicht an die Götter glaubt?“
„Wie es angefangen hat, vermag ich nicht zu sagen. Unsere Geschichtsschreibung hat keine Aufzeichnungen dazu. Sicher ist, dass ein jeder König es als seine Aufgabe sieht, den Glauben an die Götter zu vernichten. Dennoch ist es ihnen bis heute nicht ganz gelungen. So ungläubig, wie mein Vater es gerne darstellt, sind wir nicht. Zwar sind es nur wenige, die die Götter im Geheimen noch anbeten und damit harte Bestrafungen bis zum Tode riskieren, aber die meisten Menschen wissen schon um die Existenz der Götter. Es gibt zahlreiche Geschichten und Märchen, die mehr oder weniger direkt von ihrem Wirken erzählen. Auch die Legende vom Goldenen Zeitalter wird mündlich von Generation zu Generation weitergegeben.“
„Kennt Ihr viele dieser Märchen und Legenden? Ich würde sie gerne niederschreiben. In Cytria verfügen wir leider über keinerlei Legenden.“
„Ich kenne einige dieser Geschichten und auf der Reise werdet Ihr sicher die Gelegenheit haben, die Leute nach weiteren zu befragen. Wenn Ihr sie niederschreiben könntet, so wäre das sicher ein wertvoller Schatz.“
„Je mehr ich über Helwa erfahre, desto sicherer bin ich, dass ein Jahr der Wanderschaft kaum ausreichen wird, um es auch nur ansatzweise zu entdecken.“
„Nun, wenn wir scheitern, werdet Ihr ja den Rest Eures Lebens hier verbringen und auch im Palast erfährt man so dies und das.“ Der Prinz war sich wohl des Pessimismus seiner Aussage bewusst, denn schnell fügte er hinzu: „Aber wir werden nicht scheitern. Wir haben erst mal ein Jahr fern vom Palast gewonnen und wir werden es nutzen.“
Das Versprechen in Elecs Worten wurde durch seine Augen noch tausendfach verstärkt und Mawen hatte Mühe, ihn nicht voller Dankbarkeit zu umarmen.
Jahr 3619 Mond 12 Tag 21
Südküste von Helwa
Hätte Mawen sie nicht daran erinnert, der Tag der Wintersonnenwende wäre vorübergegangen, ohne dass es ihr bewusst gewesen wäre. Nun war es genau ein Jahr her, seit mit ihrer Berührung des Heiligen Würfels das Abenteuer seinen Anfang genommen hatte. Ihre Gedanken wanderten nach Aaran, wo Yerina sicher gerade dabei wäre, das Ritual der Wintersonnenwende vorzubereiten. Lange hatte Zada nicht mehr an ihre Lieben in Cytria gedacht, zu schmerzhaft war es gewesen, sie in nahezu unerreichbarer Ferne zu wissen. Nun aber war dort nur ein leichter Anflug von Wehmut und die Gewissheit, sie alle irgendwann wiederzusehen. Woher diese Sicherheit kam, vermochte sie nicht zu sagen. Vermutlich war es der Verdienst Elecs, mit dem sie nun schon seit einem Mond durch Helwa reisten. Im gleichen Maße, wie sie Helwa entdeckte, gewann sie auch ihre Zuversicht zurück. Sie hatte so
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