Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Sechs (German Edition)

Töchter der Sechs (German Edition)

Titel: Töchter der Sechs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
Vom Netzwerk:
viel Schönes entdeckt, dass sie angesichts der vielen Missstände nie vermutet hätte. Plötzlich schien alles möglich, auch eine Rückkehr nach Cytria. Trotz des Elends und der Armut waren sie auf Menschen getroffen, die ihnen großzügig ihre Gastfreundschaft gewährten und ihnen mit einer großen Herzlichkeit entgegentraten. Anfangs hatte sie geargwöhnt, dass dieses Verhalten der Anwesenheit des Prinzen geschuldet war, doch je mehr Kontakt sie mit den Einheimischen pflegte, umso besser vermochte sie sie einzuschätzen. Allmählich hatte sie sich auch daran gewöhnt, von den Helwanern als eine von ihnen angesehen zu werden, auch wenn es bisweilen noch befremdlich war, viele Merkmale ihres Äußeren bei diesen Fremden zu entdecken. In Cytria hatte sie ihr Leben lang gelernt, dass sie anders als alle anderen Menschen aussah. Nun aber waren es Mawen und Darija, die mit ihrem fremdländischen Aussehen für Aufsehen sorgten. 
    Die Ost- und Südküste waren aufgrund ihres fruchtbaren Bodens dicht besiedelt, sodass sie jeden Abend in einer Siedlung Rast gemacht hatten. Nur an diesem Tag hatte Elec einen sanften Hügel als Lagerplatz auserkoren und auch bereits kurz nach Mittag das Lager aufschlagen lassen, ganz so, als habe er um die Besonderheit dieses Abends gewusst. Mawen und Darija waren in Begleitung eines Soldaten in eine nahegelegene Siedlung aufgebrochen, da Elec ihnen von einer alten Frau erzählt hatte, die über vielfältiges Wissen im Bezug auf Legenden und Geschichten verfügte. Elec war mit Zada und dem zweiten Soldaten im Lager zurückgeblieben. Für Zada war dies eine ungewöhnliche Situation, noch nie war sie mit dem Prinzen allein gewesen – der Soldat hielt sich, wie der Prinz es angeordnet hatte, abseits. Bisher hatte vorrangig Mawen die Gespräche mit Elec bestritten, stets sah man die beiden zusammen. 
    Es war Elec, der das Schweigen brach: „Ihr denkt an Eure Heimat. Dieser Tag ist ein besonderer für Euch.“ Dies waren keine Fragen, sondern vielmehr Feststellungen. Wahrscheinlich hatte Mawen etwas in diese Richtung angedeutet.„Mawen hat Euch sicher schon von der Wintersonnenwende erzählt.“ 
    „Nein, er meinte, dies wäre etwas, was Ihr mir deutlich besser erzählen könntet. Schließlich seid Ihr eine Priesterin.“ 
    Es war das erste Mal seit Langem, dass sie jemand als Priesterin bezeichnete. Sie selbst hatte sich schon lange nicht mehr so gesehen. An diesem Tag aber war es nur richtig, sich wieder darauf zu besinnen. Sie begann, Elec von der Bedeutung des Rituals zur Wintersonnenwende zu erzählen. Da der Prinz Interesse zeigte, legte sie alle Details dar, die sie über die Geschichte der Sechs wusste. Auch die alljährlich im Tempel stattfindende Zeremonie beschrieb sie so gut sie es vermochte. Sie schloss mit den Ereignissen der letzten Wintersonnenwende, die dazu geführt hatten, dass sie ihre wahre Herkunft entdeckt hatte und nun in Helwa weilte. 
    Elec fragte: „Meint Ihr, es wäre angebracht, den Göttern jetzt nicht nur für den Erfolg der Sechs zu danken, sondern auch dafür, dass sie euch hierher geführt haben?“ 
    Zada nickte und kniete sich auf das weiche Gras. 
    „Wartet, ich fürchte, Ihr müsst mir erklären, wie man betet. Dies gehört hier in Helwa nicht zur Ausbildung eines Prinzen.“ 
    „Beten ist nichts weiter, als den Göttern sein Herz zu öffnen.“ 
    „Aber was ist mit den Ritualen und dem Niederknien.“ 
    „Wenn man es genau nimmt, so sind das nur Hilfsmittel, um sich auf das Gespräch mit den Göttern einzustellen.“ Während sie dies sagte, erhob sie sich von den Knien. Sie fühlte, dass sie in diesem Moment keine Rituale brauchte. Sie war bereit, ohne Vorbereitung und mit offenem Herzen vor die Götter zu treten, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie fuhr fort: „Die Götter legen keinen Wert auf Rituale. Sprecht mit dem Herzen zu ihnen und sie werden Euch erhören.“ 
    Der Prinz nickte und legte sich mit geschlossenen Augen rücklings ins Gras. Sie wusste, dass er sogleich verstanden hatte, was ihr selbst erst in diesem Augenblick klar geworden war. Sie richtete sich vollends auf, um ihren Blick vom Hügel über die umgebende Landschaft und das dahinter liegende Meer schweifen zu lassen. Tief nahm sie Helwa in sich auf, um dann die Augen zu schließen und an Cytria zu denken. Diese Kombination war es, die sie sich vollständig fühlen ließ. Es brauchte keine Anstrengung, um den Kontakt mit den Göttern herzustellen. Das

Weitere Kostenlose Bücher