Töchter der Sechs (German Edition)
unter ihnen lag.
Jahr 3620 Mond 2 Tag 14
Westspitzen-Gebirge
Am Vortag waren sie dem Meer erheblich näher gekommen. Als Zada am Morgen erwachte, sah sie Rauchwolken aufsteigen. Zunächst dachte sie, es sein Morgennebel, der aus einer Senke aufstieg, doch dafür war er zu grau. Es musste sich um Herdfeuer handeln. Waren sie den Fischerdörfern wirklich schon so nah. Sie konnte es kaum erwarten aufzubrechen und trieb ihre Begleiter zur Eile an. Streckenweise rannte sie fast und die anderen hatten Problem, mit ihr mitzuhalten. Am Nachmittag stießen sie auf einen Pfad und als sie ihm um eine Biegung folgten, lag plötzlich eine Siedlung vor ihnen. Nach wenigen hundert Schritten hatten sie diese erreicht. Als sie das Dorf betraten, steckten zahlreiche Bewohner die Köpfe aus den Türen ihrer Hütten und beäugten die Fremden neugierig.
Elec grüßte einen jeden Dorfbewohner freundlich und bat, zum Dorfvorsteher geführt zu werden. Dies erwies sich jedoch als unnötig, denn ein alter Mann kam schon auf die Gruppe zugelaufen und stellte sich als der Gesuchte vor. Elec nannte seinen und die Namen seiner Begleiter, woraufhin sie vom Dorfvorsteher umgehend in sein Haus eingeladen wurden. Noch während die Frau ihres Gastgebers Speisen auftrug, erklärte Elec den Grund ihres Besuches. Der alte Mann wusste sofort, wen sie suchten. Er suchte den Augenkontakt zu Zada. An seinem Blick konnte sie erkennen, dass sie keine guten Nachrichten erwarteten. Der Dorfvorsteher begann zu sprechen: „Ihr seid also Zada, die vor mehr als dreizehn Jahren mit dem Boot ihres Vaters aufs Meer hinausgetrieben wurde?“ Sie nickte. „Eure Eltern waren damals verzweifelt. Kaum hatte sich der Sturm gelegt, borgte sich Euer Vater ein Boot, um Euch zu suchen. Er ist nie zurückgekehrt. Eure Mutter wäre ihm sicher vor lauter Gram ins Meer gefolgt, doch sie erwartete ein Kind. Wir haben sie damals bei uns aufgenommen und uns um sie und später auch um ihr kleines Mädchen gekümmert.“ Bei diesen Worten machte ihr Herz einen Satz. Sie hatte also eine kleine Schwester. „Wo sind meine Mutter und meine Schwester jetzt? Kann ich sie sehen?“
„Was Eure Mutter betrifft, so konnte das Kind ihren Schmerz über die erlittenen Verluste nicht heilen. Als sich der Jahrestag Eures Verschwindens zum dritten Mal jährte, ist sie Eurem Vater in die Fluten gefolgt. Es tut mir leid.“
Sicher erwarteten alle, dass sie zu weinen anfangen würde, doch es waren keine Tränen in ihr, nur eine unglaubliche Leere. Es dauerte einen Moment, bis sie sich gesammelt hatte. Dann fragte sie erneut nach ihrer Schwester. Die Frau des Dorfältesten schob ein junges Mädchen durch die Tür. Es wirkte eingeschüchtert wegen der vielen Fremden. Daher unterdrückte Zada den Drang, es sofort in die Arme zu schließen. Es war unnötig zu fragen, ob es sich bei dem Mädchen um ihre Schwester handelte. Ihr Herz sagte es ihr. Sie machte ein paar zaghafte Schritte auf sie zu. „Hallo, ich bin Zada.“
„Ich bin Tira.“ Sie hatte es so leise gesagt, dass es kaum zu hören gewesen war. Tira, das bedeutete die Tränenreiche, sogar der Name ihrer Schwester drückte den Schmerz ihrer Mutter aus. Ehe sie es sich versah, hatte Zada Tira in die Arme geschlossen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Als sie merkte, wie sich Tira in ihren Armen versteifte, ließ sie sie los. „Tut mir leid. Ich wollte Euch nicht ängstigen. Wisst Ihr, wer ich bin?“
„Ihr tragt den gleichen Namen wie meine Schwester, aber die starb schon vor meiner Geburt.“
„Auch wenn es Euch unmöglich erscheinen mag, die Götter haben mich damals beschützt und in ein anderes Land gebracht. Lange konnte ich mich nicht an Helwa erinnern, doch die Erinnerungen kehrten zurück und ich bin gekommen, um nach meinen Eltern zu suchen. Nun habe ich stattdessen Euch gefunden.“
Tira schien zu begreifen, denn nun war sie es, die Zada in die Arme schloss. „Ich kann es kaum glauben. Seit ich denken kann, dachte ich, ich sei allein auf der Welt und nun habe ich eine Schwester. Du musst mir alles über dich erzählen.“
„Das werde ich, versprochen.“
An diesem Abend sprach sie noch lange mit ihrer Schwester und die Nacht schliefen sie im gleichen Bett.
Es war schön zu sehen, wie sich die anfängliche Trauer Zadas in Freude verwandelt hatte. Jetzt, da die Suche nach Zadas Eltern beendet war, wurde es Zeit, sich über die weiteren Reisepläne zu verständigen. Deshalb war er mit dem
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