Töchter der Sechs (German Edition)
Zeit mit Tira verbrachte, hatte Mawen Zeit gehabt, über seine Entscheidung, in Helwa zu bleiben, nachzudenken. Nachträglich versuchte er, seinen Entschluss vor sich selbst zu rechtfertigen. Waren ihm seine Forschungen wirklich so wichtig, dass er dafür riskierte, seine Heimat nie wieder zu sehen? Er dachte an seine Eltern. Wie würden sie die Nachricht wohl aufnehmen? Er beschloss, ihnen einen Brief zu schreiben, in dem er seine Entscheidung erklärte.
Es hatte ihn fast einen halben Tag gekostet, den Brief an seine Eltern zu verfassen. Er versicherte ihnen seine Liebe und versprach, dass er zurückkehren würde, sobald seine Arbeit hier getan war. Als er den Brief abschließend nochmals las, stockte er bei einem Absatz. Hatte er das wirklich so geschrieben:
Elec ist mir mehr als ein Freund, er ist mir ein Seelenverwandter. Ich kann ihn hier nicht alleinlassen. Er braucht Hilfe, wenn er diesem geschundenen Land wieder Hoffnung geben möchte. Ich werde ihm meine Liebe geben, auf dass er darin Trost und Stärke findet.
Er dachte darüber nach. Die Worte waren aus seinem tiefsten Inneren gekommen. Sie nun niedergeschrieben zu sehen, war irgendwie beängstigend. Früher oder später würde er sich diesen Gefühlen stellen müssen, aber noch war es zu früh. Später, wenn die anderen abgereist wären, war immer noch genug Zeit dafür.
Er schob die Gedanken daran beiseite und schrieb noch weitere Briefe an Yerina und Ruwen.
Erst jetzt dachte er daran, auch Abschriften seiner Forschungsergebnisse nach Hause zu senden. Für vollständige Abschriften war es nun zu spät. Daher entschied er, nur die wichtigsten Passagen zu kopieren. Er würde das Original der helwarischen Sprachlehre und auch die Aufzeichnungen, die während der Reise entstanden waren, in Zadas Obhut übergeben. Er würde nur die wenigen Kopien behalten. Er hatte sowieso das meiste davon im Gedächtnis behalten.
Jahr 3620 Mond 2 Tag 22
Fischerdorf an der Westspitze
Morgen würden sie aufbrechen. Es war also die letzte Chance, um mit Elec zu sprechen. Als das Abendessen beendet war, nahm er den Prinzen beiseite. „Mein Prinz, erlaubt mir, mit Euch zu sprechen.“
„Was ist, Felkan?“
„Ich wollte Euch um etwas bitten. Ich würde gerne Zada und Darija nach Cytria begleiten. Natürlich nur, wenn auch die beiden zustimmen.“
„Was veranlasst Euch zu diesem Wunsch?“
„Ich stehe noch immer in Darijas Schuld. Ich hoffe, sie eines Tages begleichen zu können. Auch hoffe ich, in Cytria ein neues Leben beginnen zu können. Wenn ich hierbleibe, werde ich wieder in den Dienst des Königs treten müssen. Ich weiß nicht, ob ich dies noch kann.“
„Meinen Segen habt Ihr, allerdings müsst Ihr Darija und Zada um Erlaubnis bitten.“
„Ich danke Euch, mein Prinz.“
„Zada, Darija, kommt ihr bitte?“
Felkan hatte nicht damit gerechnet, seine Bitte sofort vorbringen zu müssen. Als Darija vor ihm stand, fehlten ihm plötzlich die Worte. Nun aber gab es kein Zurück mehr. Er versuchte, sich zu sammeln. Stockend begann er: „Zada, Darija, ich möchte euch um etwas bitten, das mir wirklich sehr am Herzen liegt.“ Sein Blick kreuzte Darijas und er vergaß, was er hatte sagen wollen. Zada bat ihn fortzufahren: „Nur keine Scheu, tragt Eure Bitte vor, Felkan.“ Sie legte ihm sogar freundschaftlich die Hand auf den Arm. Diese freundliche Geste ermutigte ihn, obgleich Darija eine deutlich ablehnendere Haltung eingenommen hatte, indem sie die Arme vor dem Körper überkreuzte.
„Ich wollte fragen, ob ich euch nach Cytria begleiten darf.“
Darijas Antwort kam schnell und heftig: „Was soll der Unsinn. Wollt Ihr immer noch Eure Schuld bei mir begleichen? Ihr habt uns bis hier begleitet und deckt unsere Flucht. Damit habt Ihr genug getan.“
„Nein. Es ist nicht nur das. Hier erwartet mich nichts außer der Dienst für einen König, der mir zuwider ist. In Cytria hätte ich die Chance auf einen Neuanfang. Bitte lasst mich mitkommen.“
Zada gab ihr Einverständnis und auch Darija zuckte mit den Schultern, ganz so, als sei es ihr egal.
„Ich danke euch.“
Im Morgengrauen verabschiedeten sie sich von den Dorfbewohnern. Als sie zu sechst das Schiff bestiegen, erschien es ihm schon recht eng, doch es war ja nicht für lange. Schon am Abend würden er und Elec von Bord gehen. Die letzten gemeinsamen Stunden nutzten sie, um sich voneinander zu verabschieden und gemeinsam zu den Göttern zu beten, um für
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