Töchter der Sechs (German Edition)
Leitung und Führung für die bevorstehenden Reisen zu bitten.
Am Abend legten sie an und gingen gemeinsam an Land. Sie wollten noch einmal ein Lager aufschlagen, bevor sich ihre Wege trennten.
Der Morgen war noch fern, als Mawen erwachte. Elec saß aufrecht neben ihm. Er erhob sich und gemeinsam entfernten sie sich einige Schritte vom Lager. „Noch könnt Ihr mitfahren. Ihr müsst nicht bleiben. Bedenkt, dass Ihr Eure Heimat vielleicht nie wiederseht, wenn Ihr jetzt bleibt.“
„Ich weiß, doch dies ist ein Risiko, das ich schon vor fast sieben Monden einging, als ich Cytria verließ. Meine Entscheidung ist gefallen. Wenn Ihr nicht möchtet, dass ich weiter mit Euch reise, so werde ich Helwa alleine erkunden.“
„Wie kommt Ihr darauf, dass ich Euch nicht mehr um mich haben will? Ich könnte mir keine bessere Reisebegleitung vorstellen. Ihr habt mir eine völlig neue Sicht auf mein Land ermöglicht.“
Insgeheim hatte er auf eine Antwort gehofft, die mehr Gefühl erkennen ließ, doch das konnte er wohl nicht erwarten. Für Elec war er nur Mawen, der Gelehrte. Wie hätte er auch mehr sein können. Glücklicherweise war es so dunkel, dass Elec die Enttäuschung in seinem Gesicht nicht sehen konnte. Er nickte und bedankte sich für das Kompliment. Gemeinsam kehrten sie zum Lagerplatz zurück.
Noch einmal kontrollierte er die Lederhülle, die das Pergament vor Wasser schützen sollte, bevor er Zada seine Aufzeichnungen und die Briefe an Freunde und Familie überreichte. Danach umarmte er der Reihe nach Zada, Darija, Tira und auch Felkan. Dann musste er den Blick abwenden. Wenn er sie an Bord gehen sah, würde er seine Tränen nicht mehr zurückhalten können. Er hörte, wie sich auch Elec von allen verabschiedete. Dann hörte er, wie ein vielstimmiges 'Mögen die Götter mit euch sein' auf Helwarisch und Cytrian erklang. Dann war es still. Er flüsterte: „Mögen die Götter mit euch sein, meine Freunde, und mit uns.“
Er spürte Elecs Hand auf seiner Schulter, wandte sich aber nicht um. Als er sich denn endlich umsah, war das Schiff nur noch ein kleiner Punkt auf der Weite des Meeres.
Niemand sagte ein Wort, es war nur zu hören, wie der Wind die Segel blähte. Zada und Tira standen am Heck und sahen zu, wie sie sich immer weiter von der Küste entfernten. Darija steuerte das Schiff. Er aber stand am Bug und richtete den Blick auf die Weite des Ozeans. Was ihn wohl in jenem fernen Land Cytria erwartet. Auf jeden Fall würde er die Sprache lernen müssen. Er würde Zada um Unterricht bitten müssen, Darija war ja leider mit dem Navigieren beschäftigt. Bei ihr hätte ihm das Lernen sicher noch mehr Freude gemacht.
Jahr 3620 Mond 2 Tag 29
Am Fuße des Westspitzen-Gebirges
Sie hatten sechs Tage gebraucht, um den Platz am Fuß des Gebirges zu erreichen, an dem sie die Packtiere und den Soldaten zurückgelassen hatten. Als sie sich der Stelle näherten, hoffte Elec, dass der Soldat nicht die Geduld verloren und sich davongemacht hatte. Immerhin wartete er jetzt schon zweiundzwanzig Tage auf ihre Rückkehr.
In den letzten Tagen war Mawen keine besonders unterhaltsame Reisebegleitung gewesen. Die meiste Zeit hatte er geschwiegen, doch Elec ließ ihn gewähren. Es würde Zeit brauchen, bis er den Abschied von seinen Freunden verwunden hatte. Die bedrückte Stimmung würde ihnen sogar von Nutzen sein, wenn sie dem Soldaten die Geschichte über das Verschwinden der anderen erzählten. Am Vorabend hatten sie ihre Geschichte noch mal durchgesprochen. Sie würden behaupten, dass der Unfall sich auf dem Rückweg ereignet hatte - Elec hatte ihren Weg so geplant, dass es aussah, als kämen sie aus dem Gebirge. Sie würden sagen, die Drei seien in eine Felsspalte gestürzt. Da sie sich mit einem Seil gegenseitig gesichert hatten, hatte Felkan die beiden Frauen mit in den Abgrund gerissen. Die Spalte war so tief, dass alle sofort tot gewesen waren. Über den Besuch im Dorf würden sie sich bedeckt halten, keinesfalls würden sie Zadas Eltern erwähnen. Sie wollten nicht, dass der König auf die Idee käme, ihre Geschichte zu überprüfen.
Sie fanden den Soldaten und die Packtiere unweit der Stelle, an der sie sie verlassen hatten. Elec trug die Geschichte vor und der Soldat schien ihm zu glauben. Sie gaben vor, ihre Reise am nächsten Tag trotz der Geschehnisse fortsetzen zu wollen. Der Prinz bot dem Soldaten an, noch einen weiteren Tag zu bleiben, falls er um seinen Kameraden trauern
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