Toechter Der Suende
gerichtet und rief sich daher alles ins Gedächtnis, was er von seiner Mutter und seinem Ausbilder Heinrich von Hettenheim über gute Sitten gelernt hatte.
Daher fand Francesca nichts an ihm auszusetzen, und als er die Gelegenheit ergriff, sein noch halbvolles Weinglas in die Vase in seiner Nähe zu entleeren, zwinkerte sie ihm vertraulich zu. Es war wie ein Spiel, das sie und Falko mit ihren Eltern trieben. Diese hatten ihre Tochter schon lange nicht mehr so sittsam gesehen wie an diesem Tag und schrieben es der Tatsache zu, dass sie nach der Vergewaltigung durch Cirio d’Specchi doch ein wenig vom männlichen Geschlecht abgeschreckt worden war.
Bei dem Gedanken an den jungen d’Specchi huschte ein Zug des Unmuts über Orsinis Gesicht. Bisher hatte dieser es nicht für nötig gefunden, bei ihm vorzusprechen. Nun fragte er sich, was in den Katakomben vorgefallen war. Glaubte Cirio etwa, Francesca sei keine reine Jungfrau mehr, und war deshalb gekränkt? Doch zum einen hatte er selbst sie durch eine Hebamme prüfen lassen, und zum andern hätte dessen Vater das niemals als Hindernis für eine Ehe angesehen. Dario d’Specchi war so begierig, in die höchsten Kreise aufzusteigen, dass er seinen Sohn selbst mit der Konkubine eines Kardinals verheiraten würde, die mit ihrem Liebhaber bereits ein halbes Dutzend Bastarde in die Welt gesetzt hatte.
Er würde wohl doch einen Boten zu den d’Specchis schicken müssen, dachte der Conte, auch wenn ihn das in seiner Ehre kränkte. Zunächst aber widmete er sich seinem Gast und lenkte das Gespräch geschickt auf politische Themen, die Deutschland und Italien betrafen.
Falko war die kurze Verstimmung seines Gastgebers nicht entgangen, und er fragte sich, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Doch da wandte Conte Ercole sich ihm in scheinbar besserer Laune zu, und so beantwortete er für eine gewisse Zeit gewissenhaft dessen Fragen. Schon bald aber begriff er, dass der ihn über Dinge auszuhorchen versuchte, die besser geheim bleiben sollten. Giso hat recht, durchfuhr es ihn. Der Conte sah in ihm weniger den Retter der Tochter als einen Gimpel, den er zum Reden bringen konnte.
Die Erkenntnis schmerzte. Falko sagte sich, dass er nun aufstehen und sich verabschieden sollte. Ein Blick auf Francesca brachte diesen Entschluss sofort wieder ins Wanken. Wenn er ging, würde er sie vielleicht niemals wiedersehen. Daher versuchte er nun, die Fragen seines Gastgebers so zu beantworten, dass dieser zwar das Interesse an ihm behielt, aber trotzdem nichts erfuhr, was wirklich wichtig war.
Das kaum merkliche Zögern bei einigen Antworten fiel Orsini auf, und er begann zu glauben, dass sein Gast besser über die Pläne des deutschen Königs Bescheid wusste, als er vorgab. Aus diesem Grund lud er Falko auch für den nächsten Tag ein, diesmal zum Mittagessen, da er für den Abend bereits andere Gäste erwartete.
Falko musste an sich halten, um seine Freude nicht zu deutlich zu zeigen, denn er würde Francesca bereits nach kurzer Zeit wiedersehen und erneut mit ihr an einem Tisch sitzen dürfen. Dennoch kam der Augenblick, an dem er sich verabschieden musste, viel zu schnell.
Er stand auf und hob ein letztes Mal sein Glas. »Ich danke Euch, dass Ihr mich so herzlich in Eurer Mitte aufgenommen habt, Conte Ercole, und auch Euch, Contessa Flavia!« Er verbeugte sich in Orsinis Richtung und in die seiner Gattin und dann etwas weniger tief vor Francesca.
»Es ist uns eine Freude, Euch zu sehen«, antwortete sein Gastgeber etwas doppeldeutig.
Der junge Mann kam ihm gerade recht, um Informationen zu erlangen, die auch den Herzog von Gravina interessieren konnten. Er beschloss, diesem noch in der Nacht einen Brief zu schreiben, mit dem sich gleich frühmorgens ein Diener auf den Weg machen sollte. Es war wichtig, dass sein Vetter Giacomo Bescheid wusste und nicht annahm, er würde seiner eigenen Wege gehen.
Da ihr Vater mit seinen Gedanken beschäftigt zu sein schien und ihre Mutter eben einen Diener tadelte, trat Francesca rasch zu Falko. »Ihr findet mich morgen Vormittag beim achten Glockenschlag in unserer Familienkapelle am Ende der Straße«, wisperte sie ihm zu und verließ mit einem Knicks das Zimmer.
Falko sah ihr nach und fühlte, wie ihm das Blut schneller durch die Adern rauschte. Doch seine Sehnsucht, Francesca noch einmal zu besitzen, würde er in einer Kapelle wohl nicht stillen können.
17.
D a Falko nun wusste, wo und wann er Francesca treffen konnte, kehrte er beschwingt in
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