Toechter Der Suende
Frau konnte die Ehre, die Haustochter zum Gebet begleiten zu dürfen, kaum fassen. Daher rechnete Francesca nicht damit, dass Lina zu Hause herumerzählen würde, dass sie mit einem jungen Mann gesprochen hatte, der bei ihren Eltern als Gast willkommen war.
»Dort drüben ist ein Weinstand«, sagte der Knecht und leckte sich die Lippen.
»Wir sind nicht zum Trinken, sondern zum Beten da«, wies die Magd ihn zurecht.
Francesca lächelte ermunternd. »Ein Schluck Wein vor dem Gebet wird uns gewiss nicht schaden.«
Sie erinnerte sich daran, dass die Frau bei den Feiern für das Gesinde stets nach einem oder zwei Bechern Wein eingeschlafen war. Wenn Lina dies nun ebenfalls tat und sie den Knecht dazu brachte, beim Weinstand zu bleiben, würde sie ungestört mit dem deutschen Ritter sprechen können. Vielleicht war sogar mehr möglich, denn um diese Zeit kam kaum jemand in die Kapelle. Der Pater, der diese betreute, hielt anderswo die Messe, und den Küster hatte ihr Vater davongejagt. Außerdem fehlte, soweit sie wusste, das Schloss an der notdürftig ausgebesserten Tür der Sakristei.
Bei dem Gedanken, Falko bei diesem Wiedersehen vielleicht sogar in sich zu spüren, überlief es Francesca gleichermaßen heiß und kalt. Vorher aber musste sie ihre Begleitung so loswerden, dass die beiden keinen Verdacht schöpften. Rasch bestellte sie drei Becher vom besten Wein und sah zu, wie die Magd und der Knecht die ihren auf Anhieb leerten. Letzterer beäugte die mit Wasser gekühlten Krüge im Hintergrund mit so gierigen Augen, dass sie ihm den Becher noch einmal füllen ließ.
Die alte Magd hingegen wehrte ab. »Aber Herrin, ich darf doch nicht betrunken in die Kapelle gehen! Was würde die Heilige Jungfrau dazu sagen.«
Der Knecht griff an seinen Beutel, in dem ein paar Münzen steckten, und trat von einem Bein auf das andere. »Herrin, macht es Euch etwas aus, wenn ich hier auf Euch warte? Immerhin habe ich heute bereits die Messe in Santa Maria in Cosmedin gehört und dort auch gebeichtet.«
Francesca tat, als müsse sie überlegen, und nickte dann. »Also gut, du kannst hierbleiben. Lina und ich aber werden jetzt gehen.« Dabei drückte sie den Becher, an dem sie nur genippt hatte, der Magd in die Hand. »Trinke ruhig aus, ich gehe schon voran.«
Lina sah zuerst sie an, dann den Becher und überlegte, ob sie den Wein hinter dem Rücken ihrer Herrin ausschütten sollte. Dafür aber roch er zu verlockend. Rasch leerte sie das Gefäß und eilte hinter Francesca her.
Die Kapelle war klein und unbedeutend. Da aber ein Orsini sie vor vielen Jahren gestiftet hatte, kam Francescas Familie einmal im Monat zum Gebet hierher. Einen Augenblick lang erinnerte das Mädchen sich daran, dass sie vor etlichen Tagen hier in der Sakristei beinahe ihre Jungfernschaft an Antonio Caraciolo verloren hätte. Stattdessen aber war der junge Neapolitaner von Cirio d’Specchi getötet worden, ehe er sein Werk hatte vollbringen können.
Beinahe hätte dieser Gedanke sie von ihrem Vorhaben abgebracht. Doch als sie die Kapelle betrat, sah sie im Schatten der gegenüberliegenden Mauer Falko knien. Der junge Mann besaß die Selbstbeherrschung, sich nicht zu ihr umzudrehen. Dafür bewunderte sie ihn und ersehnte sich nichts mehr, als wieder mit ihm zusammen zu sein. Vorher aber galt es, die brave Beterin zu spielen.
Dies gelang Francesca auch, doch während sie scheinbar ergriffen ihre Gedanken zur Himmelskönigin erhob, schweifte ihr Blick immer wieder zu Lina. Diese kniete zunächst neben ihr, doch fiel ihr der Kopf immer wieder nach vorne, und so nahm die Magd auf der Bank Platz, faltete die Hände vor dem Bauch und schlief endlich ein.
Francesca wartete, bis Linas regelmäßige Atemzüge ihr anzeigten, dass diese tatsächlich in Morpheus’ Armen ruhte, dann sah sie sich aufmerksam um. Außer ihr, Lina und Falko war niemand in der Kapelle. Vorsichtig, um die Magd nicht zu wecken, stand sie auf und huschte zu dem jungen Ritter hin.
»Kommt in die Sakristei! Wir haben nicht viel Zeit«, flüsterte sie, fasste ihn bei der Hand und zog ihn mit sich.
»Ich bin glücklich, Euch zu sehen«, antwortete Falko für ihr Gefühl viel zu laut.
»Pst! Seid still!«, bat sie ihn und atmete erst auf, als sie die Tür hinter sich und Falko schließen und den provisorischen Riegel vorlegen konnte. Der Raum war ebenfalls leer, aber Francesca erschrak noch im Nachhinein, denn sie hätte vorher einen Blick hineinwerfen müssen. Es wäre peinlich gewesen,
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