Toechter Der Suende
hatte er gelernt, dass es in allen Völkern Verworfene und Gerechte gab. Es kam nicht darauf an, wo der Mensch geboren worden war, sondern, was er im Herzen fühlte.
Die junge Äbtissin, zu der er kurz darauf geführt wurde, gehörte zu jenen, die er die wahren Kinder Gottes nannte. Sie war schön und anmutig wie ein Engel und dabei so sanft wie ein linder Frühlingshauch. Er konnte verstehen, weshalb der junge Ritter in Liebe zu ihr entbrannt war und doch darauf verzichtet hatte, die körperliche Zuneigung dieser Braut Christi zu erringen.
Als Elisabeth vor ihm knicksen wollte, gebot er ihr Einhalt. »Tut es nicht! Ich bin nur ein einfacher Pater, und es wäre an mir, vor Euch zu knien.«
»Wohl mögt Ihr ein schlichter Priester sein, doch nur, weil Ihr es so wollt. Ihr hättet Prior oder Abt jedes großen Klosters werden können, und sogar Bischof und Kardinal. In Eurer Bescheidenheit habt Ihr jedoch all diese Ehren abgelehnt und Euch mit Eurer jetzigen Berufung zufriedengegeben«, antwortete Elisabeth ehrerbietig.
Ihr Onkel hatte sie zwar nicht in seine Pläne eingeweiht, ihr aber genug von Pater Luciano berichtet, so dass sie über dessen Leben und Herkunft Bescheid wusste.
Auch wenn ihr Besucher sonst wenig auf Rang und Namen hielt, war er doch froh, dass sie ihn als Autorität anzuerkennen schien. Bevor er mit ihr über Falko sprechen konnte, ließ sie von Schwester Euphemia einen Becher Wein und ein gebratenes Hühnchen bringen, damit der Pater sich stärken konnte.
Trotz seiner Sorgen aß Pater Luciano mit gutem Appetit und trank noch einen zweiten Becher Wein. Doch kaum hatte Schwester Euphemia die Kammer wieder verlassen, kam er auf das zu sprechen, was ihn bedrückte.
»Ehrwürdige Äbtissin, wie gut kennt Ihr Falko Adler?«
Eine feine Röte überhauchte Elisabeths Wangen. »Er war mein Reisemarschall auf dem Weg nach Rom und ist ein sehr angenehmer und fürsorglicher Herr, dem ich jederzeit mein Leben anvertrauen würde.«
»Ihr sprecht ihm ein hohes Lob aus, das er vielleicht nicht verdient.«
Als Elisabeth das hörte, verkrampfte sie die Hände vor der Brust. »Ist etwas mit ihm?«
Der Pater nickte bedrückt. »Er wandelt auf gefährlichen Pfaden, von denen wahrscheinlich nur Ihr ihn zurückreißen könnt. Er hat eine junge Römerin kennengelernt und verkehrt nun im Hause ihres Vaters. Dieser gehört jedoch zu König Friedrichs gefährlichsten Feinden und hasst alle Deutschen. Der hochwürdige Herr Giso und ich befürchten, dass Ercole Orsini versuchen wird, Falko Adler zum Verrat zu bewegen. Da der junge Ritter in Orsinis Tochter verliebt ist, mag ihm das gelingen.«
»Falko ist verliebt!« Ein Schmerz durchzog Elisabeth, wie sie ihn bisher nicht gekannt hatte. Gleichzeitig glomm Zorn auf, weil er sie so schnell vergessen hatte, und sie beneidete jenes unbekannte Mädchen, dem nun seine Neigung galt.
»Er ist ein junger Mann, der noch nicht mit sich im Reinen ist. Da kann er leicht das Opfer berechnender Menschen werden«, erklärte Pater Luciano.
Elisabeth erinnerte sich daran, dass Falkos Liebe zu ihr unerfüllt geblieben war, und machte sich nun den Vorwurf, ihn zurückgestoßen zu haben. Sie und niemand anders hatte ihn in die Arme der jungen Römerin getrieben.
»Was soll ich tun, ehrwürdiger Vater?«, fragte sie beklommen.
»Redet mit ihm! Macht ihm klar, wie falsch sein Weg ist, und tut alles, damit er wieder zu sich selbst und zu unserer Seite zurückfindet!«
Pater Lucianos Worte hämmerten wie der Klang einer Trommel in Elisabeths Kopf. Ja, sagte sie sich, ich werde alles tun, um Falko zu retten!
Dabei war ihr wohl bewusst, dass sie dafür möglicherweise jene Grenze überschreiten musste, die der Anstand, ihr Gelübde und das Amt ihr auferlegten. Einen Augenblick erschreckte der Gedanke sie, aber sie war sicher, dass er die Römerin vergessen würde, wenn die Liebe zu ihr sich erfüllte. Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Dachte sie dabei nicht weniger an Falko als vielmehr an ihre eigenen Sehnsüchte, die sie nur in ihren Träumen hatte stillen können? Ihre Gefühle schwemmten diesen Einwand sofort wieder hinweg, und sie sagte sich, dass es ihre Pflicht sei, notfalls sich selbst für Falkos Rettung zu opfern.
Während ihre Gedanken wild kreisten, erklärte ihr der Pater wortreich, wie sie den jungen Ritter durch Gespräche und Gebete dazu bringen sollte, von seinem Tun abzulassen. Seine Ausführungen plätscherten wie das Wasser eines Baches an ihr vorbei,
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