Toechter Der Suende
sich um und maß seinen Untergebenen mit einem spöttisch-mitleidigen Blick. »Falls es dir entgangen sein sollte: Wir befinden uns auf Bamberger Gebiet. Hier wird kein Würzburger Ritter es wagen, ohne die Erlaubnis der beiden Fürstbischöfe Gottfried Schenk zu Limpurg und Anton von Rotenhan das Schwert zu ziehen. Und diese Erlaubnis wird er niemals erhalten! Die Witwe auf Kibitzstein kann höchstens ihre Bauernlümmel in Waffenröcke stecken und ihnen gerade geschmiedete Sensen in die Hand drücken. Gegen uns und unsere Männer wird sie damit nicht das Geringste ausrichten können.«
»Ihr vergesst ihre Schwiegersöhne Eichenloh und Henneberg. Das sind gefürchtete Krieger! Die werden sich nicht um die Fürstbischöfe scheren, um ihre Schwägerin zu retten.«
Ohne es zu wollen, gab Bertschmann seinem Herrn damit einen weiteren Grund, Hildegard vorerst nicht anzurühren.
»Ich habe sie nicht vergessen! Bildest du dir etwa ein, die beiden würden still sitzen bleiben, wenn wir die Jungfer schänden und nackt auf die Straße jagen? Wir würden Eichenloh und Henneberg kurz danach racheheischend vor dieser Burg oder gar meinem Hauptsitz auftauchen sehen – und niemand würde ihnen in den Arm fallen!«
»Wenn Ihr so denkt, dann war es ein Fehler, das Mädchen zu entführen.«
Dieser Gedanke war Reckendorf schon mehrfach gekommen, doch er hatte ihn stets wieder abgeschüttelt. Auch jetzt machte er eine abweisende Handbewegung. »Meine Ehre erfordert Vergeltung! Doch wie diese aussehen wird, werde ich zu entsprechender Zeit bestimmen. Jetzt ist die Jungfer erst einmal meine Geisel dafür, dass die Kibitzsteiner sich ruhig verhalten. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn ich Nachricht aus meiner Hauptburg erhalten könnte. Daher wirst du morgen mit der Hälfte unserer Leute dorthin aufbrechen. Ich will nicht, dass Eichenloh oder Henneberg sie überraschend nehmen und als Faustpfand einsetzen, um die Jungfer freizupressen.«
Reckendorfs Anweisung war vernünftig, doch in Bertschmann sträubte sich alles, sie zu befolgen. Er wollte an diesem Ort bleiben und dabei sein, wenn sein Herr endlich zur Vernunft kam und das Mädchen schänden ließ. Da er dieses Argument jedoch nicht vorbringen konnte, suchte er nach anderen Gründen.
»Ich weiß nicht, ob das gut ist. Ihr hättet nur noch zehn Mann hier, und das sind in meinen Augen zu wenig. Außerdem glaube ich nicht, dass die Kibitzsteiner ohne Erlaubnis des Fürstbischofs gegen Euren Stammsitz vorgehen werden. Die hocken höchstwahrscheinlich in Herrn Gottfrieds Residenz und liegen ihm mit ihrem Gejammer in den Ohren.«
»Eichenloh und Henneberg werden gewiss nicht jammern«, wies Reckendorf ihn scharf zurecht.
»Trotzdem halte ich es nicht für gut, diese Burg zu entblößen. Zudem dürften sie Eure Stammburg überwachen lassen. Sollte ich mit meinen Männern dort gesehen werden, wird es ihnen ein Leichtes sein, unseren Weg bis hierher zurückzuverfolgen. Ob Ihr dann in der Lage seid, diese Burg hier gegen einen Angriff zu halten, bezweifle ich! Oder wollt Ihr die Jungfer auf den Turm stellen, ihr eine Klinge an den Hals halten und drohen, ihr die Kehle durchzuschneiden, wenn ihre Verwandten nicht die Beine in die Hand nehmen und verschwinden?«
Dieses Argument wog so schwer, dass Reckendorf seufzend den Kopf neigte. Kaum jemand in Würzburg wusste, dass die Burg hier zu seinen Besitzungen gehörte. Doch sobald die Kibitzsteiner davon erfuhren und den Bischof von Bamberg um Unterstützung ersuchten – die dieser ihnen wohl kaum verweigern dürfte –, blieb ihm nichts anderes übrig, als auf seinen Hauptsitz und damit unter die Gerichtsbarkeit des Würzburger Fürstbischofs zurückzukehren. Was dieser von Hildegard Adlers Entführung halten würde, konnte er sich denken.
Ratlos und gleichzeitig zerfressen vor Wut, weil er durch seine Gefangene immer tiefer in Schwierigkeiten zu geraten drohte, ließ er Bertschmann stehen und ging zu der Kammer, in der er Hildegard eingeschlossen hatte.
Sein Kastellan überlegte, ob er ihm folgen sollte, wagte aber nicht, Reckendorf noch mehr zu reizen. Daher blieb er stehen und sah zu, wie sein Herr die Tür aufsperrte und eintrat. Für einen Augenblick konnte er Hildegard sehen, die auf ihrer Strohschütte kauerte und ihren Entführer mit Missachtung strafte. Kaum hatte Reckendorf die Tür hinter sich zugeschlagen, schlich Bertschmann hin und lauschte.
9.
J unker Bruno konnte weder Furcht noch Erschrecken auf dem Gesicht seiner
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